Es ist sechs Jahre her, dass ich meinen alten Golf verkauft habe. Eine unfassbar lange Zeit, wenn ich es mir richtig überlege. Ich habe dieses Auto sehr geliebt, und es fiel mir nicht leicht, es abzustoßen. Aber der Wagen stand oft wochenlang ungenutzt in der Tiefgarage, die jeden Monat 50 Euro kostete. Er war nach 14 Jahren sehr oft für teures Geld in der Werkstatt. Und sobald ich aus der Garage fuhr, stand ich im Stau. Das hat mich am meisten genervt. Und mit Mobilität an sich wenig zu tun.

Wirklich vermisst habe ich das Auto seit 2011 nicht. Weite Strecken fahre ich meistens mit dem Zug, um die Zeit zu nutzen. Nur im Herbst 2016, als ich in der Hallertau unterwegs war, musste ich mir einen Mietwagen nehmen, um von Ort zu Ort zu kommen. Innerhalb der Stadt bin ich auf die KVB umgestiegen – oder aufs Rad. Und ich gehe sehr oft zu Fuß, auch längere Strecken. Wie sehr ich damit im Großstadttrend liege, war mir bis gestern nicht ganz bewusst.

Kopenhagen und London als Hauptstädte des Fahrrads

Ross Douglas von Autonomy Paris präsentierte jedoch auf der Fachkonferenz Paris vernetzt in Düsseldorf interessante Zahlen. Demnach stieg in Kopenhagen der Fahrradverkehr in den vergangenen Jahren um 68 Prozent. In Amsterdam werden 48 Prozent der Wege in die Stadt mit dem Rad gemacht und London zählt 23 Millionen Fahrten im Jahr mit dem Fahrrad. Und das, so sagt er, sei erst der Anfang. Ab 2025, so Douglas, wird sich Mobilität grundlegend verändern. Ausschlagebend für diese Einschätzung sind die Faktoren

  • Active
  • Data
  • Autonome
  • Shared
  • Electric

Zu „active“ gehört eben, dass in den Großstädten immer mehr gegangen und Fahrrad gefahren wird. Ich bin also ein Trendsetter. Big Data wird sicherlich auch Ausfluss auf das Mobilitätsverhalten haben – schließlich kann man anhand gesammelter Daten beispielsweise die Ampelschaltung beeinflussen. An selbstfahrende Fahrzeuge und elektrische Autos oder Roller glaube ich auch. Nur mit „shared“ habe ich so meine Probleme. Natürlich bin Car2go- und Drivenow-Kundin. Allerdings: Wenn ich in Köln keinen Parkplatz bekomme, und das ist der Normalzustand, ist das ein teures Vergnügen.

Carsharing in Köln und anderen Städten

Beispiel: ich musste zum Zahnarzt, das Car2go stand vor der Tür. In acht Minuten war ich vor der Praxis, 20 Minuten suchte ich eine Abstellmöglichkeit. 20 Minuten, in denen die Mietuhr fleißig weiter tickt. Seither nehme ich die KVB – das ist günstiger und dauert auch nicht länger. Bei gutem Wetter nehme ich auch das Fahrrad, aber das zieht sich bis zur Zahnarztpraxis. Da ist es mit Flinkster praktischer, da das Auto mit einem Stellplatz verbunden ist – zumindest bei der Rückfahrt. Das hilft mir aber natürlich nicht, wenn ich den Wagen nur für eine Fahrt in eine Richtung benötige.

Ich habe den Flinkster beispielsweise einige Mal benutzt, um nach Worringen und zurück zu kommen. Oder um vom Hauptbahnhof in Karlsruhe aufs Land zu fahren. Leider musste der Flinkster-Platz direkt vor meiner Tür einem Neubau weichen. Douglas erwartet trotz dieser Probleme bis 2025 35 Millionen Carsharing Mitglieder, in Deutschland sei die Zahl der geteilten Autos von 2001 bis heute von 1000 auf 15.400 gestiegen. Ein geteiltes Auto könne 7 bis 11 private Wagen ersetzen, sagt Ross Douglas.

Warum macht man sich in Paris Gedanken um Mobilität?

So gern ich in Köln wohne, das Verkehrskonzept in der Stadt finde ich nicht befriedigend: Wenn man sich durch Köln bewegt, ist es eng: Die Autos parken auf dem Bürgersteig, zwischen Blech und Hauswand ist häufig kein Platz mehr für einen Kinderwagen oder einen Rollkoffer. In der Lukasstraße stehen Autos oft auf den Baumscheiben, oder genauer: Auf den Wurzeln. Die Folge wird langfristig sein, dass die Bäume sterben. Und gerade in Ehrenfeld ist Grün ein wichtiges Gut. Fällt die Linie 5 wie in der vergangenen Woche aus, steht man 17 Minuten – oder hastet zur Linie 3 oder 4, in der Hoffnung, doch noch pünktlich zu sein. Gastronomie auf Plätzen und Bürgersteigen ist immer umgeben von Transportmitteln und deren Abgasen. Mir scheint manchmal, das man in Köln vergessen hat, dass eine Ein-Millionen-Stadt ein anderes Verkehrskonzept benötigt als ein Dorf.

Nun ist Paris sehr viel größer als Köln, und der Großraum Paris, um den es geht, die Ile-de-France, ist Heimat für noch sehr viel mehr Menschen und Unternehmen. Doch der Verkehr und die Mobilität der Bürger*innen sind auch dort ein Problem, und wird es immer mehr. Darum hat man sich ihm angenommen, und versucht nun, vorausschauend ein Projekt umzusetzen, dass das Zusammenleben in der Stadt und die Wirtschaft gleichermaßen verbessert. Dieses Projekt heißt Paris vernetzt. Und dazu stellten sich in Düsseldorf gestern Messen und Unternehmen vor, die an diesem Projekt mitarbeiten. Nicht einfach, weil Düsseldorf eine nette Stadt ist, in der am Wochenende die Tour de France startet, sondern weil man auf einen Ausbau der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen hofft. Deutsche Unternehmen, so wünscht man sich, mögen sich am Projekt Paris vernetzt beteiligen. Keine schlechte Idee, finde ich, denn was dort passiert, wird deutsche Städte über kurz oder lang auch betreffen.

Was ist beim Thema Mobilität geplant?

Im Großraum Paris, Grand Paris genannt, sollen 28 Milliarden Euro investiert werden, um eine automatische Metro für den Ring rund um Paris zu bauen. Es sind 200 Kilometer zusätzliche unterirdische Strecken geplant. Außerdem will man 68 Bahnhöfe bauen – nein, keine Haltestellen, sondern richtige Gebäude, die bis zu 60 Meter in die Tiefe gehen. Umgesetzt werden soll das Ganze bald, sehr bald sogar: In der Zeit von 2022 bis 2027 sollen alle Pläne realisiert sein.

Ganz so schlimm wie in Delhi ist es in Köln (noch) nicht
Ganz so schlimm wie in Delhi ist es in Köln (noch) nicht

Doch damit ist es nicht getan, denn bedeutend ist beim Thema Mobilität der letzte Kilometer, also der Weg vom Bahnhof oder der Station nach Hause. Dafür müssten Leihfahrräder und -autos zur Verfügung stehen. Das haben wir allerdings in Deutschland schon in vielen Städten, auch in Köln. Denkbar seien jedoch auch Cargobikes und Electroscooter, sagt Sara Godomen von der Messe SITL. Man brauche mehr Packstationen, Lieferungen direkt in den Kofferraum, Transportdrohnen und Lieferroboter oder Straßenbahnen, die Frachten transportieren. Das erinnert mich an einige Regionen in Deutschland, wo Busse Fracht mitnehmen. Auch Einräder werde man künftig häufiger in der Stadt sehen, sagt Ross Douglas. Und mit diesen und anderen neuen Transportmitteln komme auch ein neuer Wirtschaftszweig auf: Man brauche dafür beispielsweise Helme und die passenden Versicherungen. Nach dem Diesel-Verbot 2022 sei außerdem ein vermehrter Umstieg auf die Schiene und den Schiffsverkehr denkbar, so Godomen.

Deutsch-französisches Miteinander am Beispiel Flixbus

Das Diesel-Verbot gefällt Raphael Daniel allerdings nicht. Der Pressesprecher von Flixbus Frankreich macht darauf aufmerksam, dass Diesel nicht gleich Diesel sei. Die Flixbusse beispielsweise seien im Vergleich zu vielen anderen Bussen sehr schadstoffarm. Davon abgesehen ersetze ein Bus schließlich viele Autos.

Überhaupt wünscht sich Daniel, dass mehr an die Fernbusse gedacht wird: Eine Busspur auf der Autobahn wäre eine Idee. Und bei den 68 geplanten neuen Bahnhöfen hätte er auch gerne Platz für die Fernbusse. Nur dann kann das Umsteigen problemlos gelingen. Köln ist leider ein gutes Beispiel dafür, dass man den Fernbusverkehr auch erschweren kann: Natürlich ist am Flughafen Platz für die Busse. Allerdings müssen die Busfahrer nun auch erst zum Flughafen kommen, bevor sie in den Fernbus einsteigen können – und von dort den Zug nehmen. Als die Busse noch am Hauptbahnhof hielten, war dies geschmeidiger – allerdings auch oft mit Stop und Go ins Zentrum und hinaus verbunden.

Junge Menschen fahren Bus

Flixbus ist übrigens eine kleine deutsch-französische Erfolgsgeschichte: Die Top-Strecken sind Berlin – Paris und Dortmund – Paris, 2016 fuhren mehr als eine halbe Million Passagiere in beide Richtungen über die Grenze. In Frankreich hat Flixbus, ein 2013 in Deutschland gegründetes Unternehmen, in 180 Städten 200 Stops – und will weiter wachsen. „Im Unterschied zu Deutschland sind in Frankreich die Wege länger“, sagt Daniel. Darum brauche man dort auch mehr Zwischenstopps, um ein Netz aufzubauen. 350 Kilometer oder drei bis vier Stunden daure dort eine durchschnittliche Fahrt. Nachts seien eher die Backpacker und die jungen Leute unterwegs, tagsüber ältere Leute, die kürzere Strecken zurücklegten.

Früher seien vor allem die jungen Leute und die Rentner die Zielgruppe gewesen, sagt Daniel. Heute setze man auf alle Altersklassen, und auch auf die digitalen Nomaden. Schließlich kann man im Bus gut arbeiten, und W-LAN gibt es auch. 60 Prozent der Passagiere seien übrigens Frauen, die sich im Bus sicherer fühlten als beispielsweise bei einer Mitfahrgelegenheit. In den Ferien verreisten jedoch auch immer häufiger ganze Familien mit dem Bus.

Flixbus ist außer in Deutschland und Frankreich in 20 weiteren Ländern aktiv: In Spanien, Großbritannien, Italien, Schweden und in vielen anderen. Insgesamt bietet man 1200 Verbindungen, fährt 1300 Ziele an und beschäftigt 5000 Busfahrer. Für die Zukunft setzt man auf mehr Busse und mehr Strecken, man will die Frequenz erhöhen, und denkt auch über Expresstrecken ohne Zwischenhalte nach.

Die Zukunft der Mobilität: In Paris macht man sich Gedanken
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