Gewehre gehören in manchen Ländern zum Alltag
Gewehre gehören in Krisenregionen zum Alltag

Ich bin ein überwiegend fröhlicher und höflicher Mensch. Besonders in der Arbeitswelt: Grüßt mich jemand, wenn ich geschäftlich unterwegs bin, grüße ich zurück. Auch wenn ich die Person nicht kenne. Und ich lächle. Viel und oft. Dass das nicht in allen Kulturen und schon gar nicht in Krisenregionen richtig ist, habe ich in Kenia erfahren: An einem Sicherheitsposten wunderte ich mich, warum die anderen Frauen mit versteinerten Gesichtern geradeaus schauten. Ich lächelte den Sicherheitsbeamten an und grüßte. Darauf flüsterte er mir eine etwas zweideutige Bemerkung zu, und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Zum Glück fuhren wir in diesem Moment weiter.

Erst Monate später erfuhr ich bei einem einwöchigen Seminar „Schutz und Verhalten für Journalisten in Krisenregionen“, dass man an diesen Checkpunkten gerade als Frau vorsichtig sein muss. Denn Freundlichkeit wird in manchen Kulturen anders gedeutet als in Deutschland. Das Seminar wird von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse in Kooperation mit der Bundeswehr in Hammelburg angeboten, und es bereitet Journalisten auf den Einsatz in Krisenregionen vor. Ich habe dort noch anderes gelernt, beispielsweise, dass man in Krisenregionen nichts vom Boden aufhebt, was man nicht selbst hingelegt hat. Als meine Kollegin in Kakuma diesen Satz zu mir sagte, habe ich ihn nicht verstanden. Heute weiß ich, dass er einen Sinn hat: Es könnte sich um eine Mine, also um einen Sprengkörper, handeln.

Warum ich dieses Seminar besucht habe

Ich war 2016 zweimal mit jeweils einer Kollegin für einen Kunden in Kenia. Beide Kolleginnen hatten dieses Seminar für das richtige Verhalten in Krisenregionen besucht. Beide konnten einige Situationen besser einschätzen als ich. Als Vorbereitung für einen dritten Aufenthalt dort oder an einem anderen kritischen Ort, war es mir wichtig, dieses Wissen auch zu haben. Sonst wäre ich in einer Notsituation keine verlässliche Partnerin sondern im Gegenteil jemand, auf den man aufpassen müsste. Das ist keine gute Voraussetzung für einen Arbeitseinsatz.

Was dieses Seminar für den Einsatz in Krisenregionen bringt

Ob das Seminar hilfreich ist, hängt von den Teilnehmer*innen ab. Hat man in der Gruppe Leute, die nur mal ein bisschen Krisenregion spielen wollen, oder die irgendwann einmal vielleicht in irgendein Land auf irgendeinem schwierigen Kontinent reisen wollen, hat man wenig davon: Sie nehmen das Seminar nicht ernst genug, lachen an unpassenden Stellen, lassen sich nicht auf Rollenspiele ein. Ich hatte das Glück, dass in meiner Gruppe zumindest zwei Kolleginnen mit Krisenregionserfahrung waren, die das Ganze sehr ernst genommen haben. Ich habe verdammt viel gelernt. Und seither habe ich ein Auge auf Sicherheit, auch wenn wir von der Kölner Journalisten-Vereinigung bei Großaktionen aktiv sind. Ich habe außerdem unseren Erste-Hilfe-Kasten zuhause aufgemöbelt und nach 30 Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Denn Hilfe kann jeder Bürger brauchen, der plötzlich auf der Straße umfällt. Dumm, wenn man ein Menschenleben retten könnte, aber nicht weiß, wie. Davon abgesehen: „Krise“ fängt schon lange nicht mehr außerhalb Europas an. Viel zu oft werden Journalisten auch in Deutschland körperlich bedroht, wenn sie ihre Arbeit machen.

Was mich wirklich geärgert hat

Wir mussten während unseres Trainings kugelsichere Westen tragen. Am letzten Tag schleppte eine Kollegin ihre Weste zurück und sagte:“Wenn mir das nächste Mal jemand eine solche Weste anbietet, werde ich dankend ablehnen!“ Was? Ich meine: was? Ja, diese Westen sind scheißschwer. Und ja, sie sind furchtbar unbequem. Wenn mir aber jemand eine solche Weste in die Hand drückt, wird er seine Gründe dafür haben. Sollte ich also jemals in die Situation kommen, dass mir jemand eine Weste gibt, werde ich sie ganz sicher dankend annehmen. Egal, wie schwer sie ist. Egal, wie unbequem sie ist. Kann ich das nicht ab, sollte ich nicht in einer solchen Region arbeiten.

Eine andere Kollegin fragte:“Wenn ich an einen Checkpoint komme, sollte ich dann meine Kollegen vorschicken, weil sie als Männer die Situation einfacher lösen können?“ – Antwort:“Das ist keine schlechte Idee!“. Bei dieser Frage und Antwort bin ich fast in die Luft gegangen: TV-Leute mögen ja mit Kameramännern unterwegs sein. Als Schreiber ist das nicht der Fall, da bin ich schon froh, wenn ich in einem Team unterwegs bin. Und das Team muss nicht aus Frau und Mann bestehen. Im Gegenteil: Bei beiden Einsätzen in Kenia war ich mit Kolleginnen unterwegs. Wir können keine männlichen Kollegen vorschicken. Und auch hier gilt: Will ich mich als Frau hinter meinem Kollegen verstecken, bin ich eventuell falsch in diesem Job, sicher aber an diesem Ort. Nach meinem kleinen verbalen Ausbruch stimmte man mir zu: Auch Frauen werden an einem Sicherheitsposten alleine zurechtkommen. Es kann aber sein, dass sie eine höhere Gebühr zahlen müssen als Männer.

Was Frauen erwarten – oder auch nicht

Die dritte Situation, die mich ärgerte: Männliche Kollegen, die vor einem Rollenspiel meinten, zu Helden mutieren zu müssen, die ihre weiblichen Kollegen beschützen: „Wir lassen doch unsere Frauen nicht vergewaltigen!“. Und auch hier habe ich eine ganz klare Antwort: Wenn ich mit einem männlichen Kollegen unterwegs bin, erwarte ich nicht von ihm, dass er für mich kämpft oder sich stark macht oder mich rettet. Er möge sich bitte nicht zusätzlich in Gefahr bringen, denn nur so haben wir überhaupt eine Chance, aus einer misslichen Situation zu kommen. Auch hier gilt: Falls ich das von meinem Kollegen erwarte, ist der Job und der Einsatzort nicht passend für mich. Kleiner Hinweis von Seite des Ausbilders: Gerade sehr junge und sehr schlanke Männer sind übrigens vor Vergewaltigungen auch nicht sicher.

Was überhaupt nicht hilfreich ist

Ich bin in dieser einen Woche mehrmals gestorben. Oder ich wäre gestorben, wenn die Situation real gewesen wäre. Ich bin unfassbar dankbar für dieses Seminar, weil ich sehr viel gelernt habe. Kollegen, die jedem und allen erzählen, was man in dieser Woche genau macht, schaden den zukünftigen Teilnehmern. Denn die Rollenspiele leben von der Überraschung und davon, dass man sich nicht auf sie vorbereiten kann. Neulich habe ich ein Seminar gegeben, und ich hörte eine sehr junge Frau von diesem Seminar in Hammelburg erzählen. Sie meinte, es seine Werbeveranstaltung der Bundeswehr, schließlich koste es ja auch nichts. Die junge Frau liegt falsch: Die Teilnahme am Seminar kostet Geld. Und auch wenn ich seither ein anderes Bild von der Bundeswehr habe: eine Werbeveranstaltung sieht anders aus. An diesem Punkt sind Ausbilder und Vorgesetzte in der Pflicht: Schickt nur die Leute nach Hammelburg, die in naher Zukunft das dort vermittelte Wissen brauchen. Diejenigen, die dort aus Spaß teilnehmen, sind hier fehl am Platz. Im schlimmsten Fall vermasseln sie denen das Training, die davon wirklich profitieren können.

Wie man dieses Seminar für den Einsatz in Krisenregionen buchen kann

Wer das Seminar belegen möchte, muss sich über die BG ETEM anmelden. Ich bin aber als selbstständiger Schreiberling freiwillig bei der VBG versichert. In diesem Fall übernahm meine Berufsgenossenschaft die Kosten für den Lehrgang – allerdings erst, nachdem ich viele Fragen am Telefon und schriftlich zum Warum und Wieso beantwortet habe, denn das Seminar kostet im Vergleich zu meinen jährlichen Beiträgen ordentlich Geld. Einfacher geht das, wenn man festangestellt ist: Die privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schicken ihre Mitarbeiter regelmäßig zu dieser Fortbildung. Übrigens können sich auch Selbstzahler für das Seminar anmelden.

Seminar für JournalistInnen in Krisenregionen
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