Screenshot opjueck.de
Screenshot opjueck.de

Neulich hatte ich das Vergnügen, eine Reisebloggerin kennenzulernen. Verkehrte Welt, dachte ich nach dem Treffen: Da hat jemand eine sichere Stelle und will diese aufgeben, weil über das Reiseblog immer höhere Einnahmen zustande kommen. Und das in einer Zeit, in der im Journalismus immer mehr Leute entlassen werden, und man immer wieder hört, Onlinejournalismus sei nicht finanzierbar. Das musste ich mir doch einmal näher anschauen.

Vorteile meines Reiseblogs

Schwierig war das für mich nicht, denn mein erstes Reiseblog hatte ich vor etwa zehn Jahren. Da damals der Server gestohlen wurde, und es keine Sicherheitskopien gab, waren jedoch alle Inhalte weg. Ich war zu frustriert, nochmals bei Null anzufangen. Stattdessen hatte ich ein gutes Jahrzehnt lang temporäre Blogs zu meinen Reisen. Vor einigen Monaten habe ich diese auf der Seite opjueck.de zusammengeführt, also angefangen, das Archiv aufzubauen, und gleichzeitig neuen Inhalt zu liefern. Eigentlich hätte ich das schon längst tun sollen, denn auf Op jück läuft alles zusammen, was nicht zu meiner Hauptaufgabe als Verbraucherjournalistin und Dozentin passt:

  • Ich kann dort mein Hobby Fotografie unterbringen,
  • meine (multimedialen) eBooks zu fernen Ländern,
  • meine Calvendo-Kalender.
  • Für Op jück teste ich hier Multimedia, um die Erfahrungen in meine Onlinejournalismuskurse einzubauen.
  • Und ich kann mit unterschiedlichen Apps Mobile Reporting machen, um damit immer auf dem Laufenden zu sein und das entsprechende Seminar beispielsweise über den DJV anzubieten.

Übrigens gibt es natürlich auch einen eigenen Twitteraccount zu Op Jück. Denn die Zielgruppen von @kuechenzuruf und @opjueck sind sehr unterschiedlich. Ganz, ganz langsam steigt beim Reise-Twitter-Account auch die Zahl meiner Follower und Rezipienten. Geld habe ich bisher zwar noch nicht mit dem Projekt verdient, dazu ist die Zeit seit dem Start natürlich zu kurz. Aber immerhin bekam ich zwei Freikarten für ein Konzert, weil ich von dort live twitterte.

Was mir bei Reiseblogs so auffällt

Seit ich mich in der Reiseblogger-Szene umsehe, sind mir zwei Dinge aufgefallen:

  1. Das Hong Kong Tourism Board scheint vor einiger Zeit Blogger eingeladen zu haben. Der Flug und die Unterkunft wurden wohl bezahlt, dafür sollten die Blogger über die Stadt und den Aufenthalt an Bord berichten. Einen Artikel eines Bloggers las ich, als ich selbst in Hongkong war – auf einer von mir selbst bezahlten Reise. Der Artikel bestand aus lieblos aneinandergeklatschten Fotos von Hochhäusern und einem sinnfreien Text. Der zweite Artikel, den ich las, war zwar besser, aber die Inhalte unterschieden sich kaum von denen in einem Reiseführer. Gut abgeschrieben? Selbst nichts vor Ort unternommen? Ich frage mich, ob die Veranstalter einer solchen Bloggerreise mit diesen Ergebnissen glücklich sind. Ähnliches Beispiel: Gestern las ich einen Text, der in Kooperation mit dem Tourismusmarketing für eine Region entstanden ist. Teils überbelichtete Fotos untereinander, nicht einmal als Gallerie oder Slideshow aufbereitet, ein Text ohne Nutzen für den Leser, literarisch fragwürdig. So etwas ist gewollt? Vielleicht bin ich da altmodisch, aber Qualität sieht für mich anders aus.
  2. Ich las außerdem zwei Beiträge auf zwei unterschiedlichen Reiseblogs zur Hotelsuche-Plattform Surprice. Die beiden Artikel berichteten von einer glücklichen Welt, in der es Übernachtungen in tollen Hotels günstiger gibt. Ich war begeistert und testete das Angebot. Das Ergebnis hat mich enttäuscht. Zwar hatten beide Blogger erwähnt, dass sie die gebuchte Übernachtung erstattet bekommen hatten, aber ich frage mich, was solch ein Artikel bringen soll: Der Blogger hat zwar unter Umständen eine Nacht umsonst für seine PR-Arbeit, verliert aber seine Glaubwürdigkeit. Der Leser ist nicht doof und merkt beim ersten Test selbst, wie unrealistisch der Artikel war. Er wird künftig die Plattform meiden, eventuell auch das Blog. Auch das Unternehmen kann sich über solche Texte nicht freuen. Denn es kann sein Produkt nur verbessern, wenn ihm die Kritik der Nutzer bekannt ist. Ein Usability-Test wäre also sinnvoller als platte SEO-Verlinkungs-PR. Immerhin: die Social-Media-Managerin von Surprice hat meinen Text gelesen und ausführlich kommentiert. Ein dicker Pluspunkt!

Wer folgt eigentlich wem?

Ein weiterer Punkt beschäftigt mich: Wer folgt eigentlich den Reiseblogs und Twitteraccounts? Sind es Freunde und Familie derer, die da schreiben? Schaue ich in meinen Twitteraccount für Op jück, scheint mir, dass sich die Branche selbst folgt. Das ist so ungewöhnlich nicht. Auch Medienmenschen folgen den anderen aus der Branche, Branchenfremde sind kaum unter den Followern. Der Unterschied: Die Reisebranche will Geld damit verdienen, dass sie den Endverbraucher erreicht. Bedient sie sich dafür der Blogger, und werden deren Inhalte an den Endverbrauchern vorbei gesendet, geht diese Rechnung nicht auf. Möglicherweise täusche ich mich in diesem Punkt. Und bevor ich falsch verstanden werde: Ich bin sicher, dass es auch sehr gute Reiseblogs gibt.

Trotzdem: Mich bestärken meine Erfahrungen darin, dass ich Op jück weiterführen werde, gerade, weil es nicht dem typischen Reiseblog entspricht. Ich kann mein verbraucherjournalistisches Denken nämlich nicht ausschalten. Heißt: Auf meiner Seite gibt es keine chronologischen Beiträge nach dem Schema „Erst war ich da, dann war ich dort“. Es gibt auch keine Infos zu Webseiten, Apps, Hotels oder Restaurants, die ich nicht selbst getestet habe. Und natürlich nicht nur Texte, sondern eine Kombination aus Text, Bild, Video, Audio und onlinespezifischen Darstellungsformen. Auch Rosafärbung findet Ihr nicht auf opjueck.de, sondern angemessene Kritik. Und natürlich Nutzwert, wo immer er passt. Ein Kollege sagte, als ich ihm dies erzählte:

So wirst du nie zu einer Reise eingeladen werden!

Ja. Möglich. Aber glücklicherweise verdiene ich als Journalistin gut genug, um meine Reisen selbst zu bezahlen und mir meine Reiseseite leisten zu können. Und falls es Firmen gibt, die an meiner Art der Berichterstattung Interesse haben, weil sie verstehen, dass ihnen das mehr bringt, als schlechte Inhalte oder reine PR, werden sie mich sicherlich finden.

Warum ich mich neuerdings für Reiseblogs interessiere
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4 Kommentare zu „Warum ich mich neuerdings für Reiseblogs interessiere

  • Oktober 1, 2014 um 11:53 am Uhr
    Permalink

    Schöner Text mit etwas Abstand von der Reiseblogger-Szene.

    Ein paar Gedanken um ein wenig zu relativieren:
    * Nur ein Bruchteil aller Reiseblogger hat vor mit dem Reiseblog Geld zu verdienen

    * Selbst viele professionelle Reiseblogger nehmen Abstand von Kooperationen wie Pressereisen oder kostenlosen Übernachtungen gegen einen Artikel/Link. Generell ist es besser eine Aufwandsentschädigung zu erhalten. (Das hilft natürlich auch nicht in punkto Glaubwürdigkeit)

    * Kein Unternehmen kann von einem Blogger verlangen positiv zu berichten, aber es braucht verdammt viel Mumm und ein gutes Blogger-Selbstverständnis um nach einer Einladung objektiv von Schwächen zu berichten. Das kann net jeder.

    * In Deutschland hat Twitter nicht die Breitenwirkung, wie in den USA, deshalb finden sich hierzulande in fast allen Branchen v.a. professionelle Accounts, die sich gegenseitig folgen. Auf Facebook sollte es anders ausschauen.

    Man kann genauso wenig „die Reiseblogger“ über einen Kamm scheren, wie „die Bäcker“.

    Antworten
  • Pingback:Kooperationsanfragen fürs eigene Blog

  • März 24, 2017 um 10:02 am Uhr
    Permalink

    Hallo Bettina,
    danke für den ausführlichen Beitrag. Ich reise sehr oft und hab schon die unterschiedlichsten Orte und Hotels besucht. Vor drei Jahren kam ich auf die Idee, einen Reiseblog zu kreieren und meine Erfahrungen mit Anderen zu teilen. Ich selbst begutachte andere Blogs, um mir somit vielleicht das nächste Reiseziel oder das nächste Hotel auszusuchen.

    Antworten

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