Ich erinnere mich genau an denn Tag im April vor zwei Jahren, als das große Kuvert meines langjährigen Kunden mich erreichte. Ohne mich vorgewarnt zu haben, legte man mir plötzlich nach zehn Jahren einen Vertrag vor. Den sollte ich als freie Mitarbeiterin unterschreiben. Damit würde ich dem Verlag das Recht einräumen, meine Texte weiterzuverkaufen. Ohne, dass ich an den möglichen Einnahmen beteiligt würde. Ich fand, dass das keine gute Idee ist. Ziemlich wütend habe ich darum damals den DJV-Rechtsbeistand angerufen und darum gebeten, den Vertrag zu checken und mich auf eventuelle fiese Details aufmerksam zu machen.
Zu meiner Überraschung fand der Justitiar den Vertrag gar nicht so schlecht wie ich. Zwar nannte er mir zwei, drei Stellen, an denen man nachbessern könnte, aber alles in allem habe er schon viel schlimmere Verträge gesehen. Ich war trotzdem sauer. Gerade auch, weil ich in den Wochen bevor der Vertrag gekommen war, so viele Zusatzarbeiten mit den Artikeln hatte. Beispiel: Eben mal vier Anbieter einer bestimmten Dienstleistung herausfinden, um den Text zu ergänzen. Sie und ihre AGBs checken – und dann festzustellen, dass die Unternehmen doch nicht in den Text kamen, gehörte dazu. Natürlich, ohne dass man mir als freier Journalistindiese diese Arbeitszeit bezahlt hat. Und nun wollte der Kunde also die manchmal mühevoll erarbeiteten Texte weiterverkaufen, ohne dass ich etwas davon haben würde.
Gespräche mit dem Chefredakteur über den Vertrag
Ich rief ziemlich aufgebracht meinen Kooperationspartner an und sagte ihm, dass ich den Vertrag so nicht unterschreiben werde. Er wusste gar nicht, von was ich sprach, denn dass Freie Verträge vorgelegt bekamen, war ihm neu. Darum riet er mir, alle meine Kritikpunkte an den Chefredakteur zu schicken. Das tat ich. Tatsächlich rief dieser mich an und meinte, er wolle ersteinmal abwarten, wie sich das Feedback aller freiberuflichen Journalist*innen gestalte, dann käme er nochmals auf mich zurück. Seither hatte ich den Vertrag jede Woche in der Hand, immer wenn ich Buchhaltung machte. Aber ich habe ihn nie unterschrieben, sondern wartete auf den Anruf des Chefredakteurs.
Wie viel verdiene ich eigentlich mit einem Artikel?
Der Anruf kam nach 22 Monaten: Ich sei die einzige der Autoren, die ihn nicht unterschrieben habe. Und nun müssten wir sehen, wie wir weiter vorgehen, denn als Autorin wolle er mich auf keinen Fall verlieren. Ob wir denn bei einer Honorarerhöhung für die freie Mitarbeit einig würden. Wir haben uns lange und sehr nett unterhalten. Was er nicht wusste: Seit Anfang des Jahres evaluiere ich alle die Kund*innen, die mich pauschal pro Text bezahlen. Heißt: Ich lasse bei jedem Auftrag die digitale Stechuhr mitlaufen, von der Anrecherche über die Telefongespräche bis zum Schreiben und der Zitatfreigabe.
Mein Ziel: Kunden, bei denen ich keinen Stundenlohn von 70 Euro erreiche, über kurz oder lang aussortieren. Da ich von diesem Kunden in den ersten sechs Wochen des Jahres sechs Aufträge bekommen hatte, habe ich Mitte Februar also schon einen guten Querschnitt: Ja, es gibt aufwändigere Aufträge, bei denen ich statt 70 Euro Stundenlohn vielleicht nur auf 72 oder 75 Euro komme. Bei den meisten liegt der Stundenlohn aber eher an 80 Euro oder sogar deutlich darüber.
Fazit: Vertrag hin oder her – ich möchte diesen Kunden nicht verlieren. Darum habe ich die Honorarerhöhung mit einem Lächeln angenommen. Sie ist zwar nicht besonders hoch und nach über zehn Jahren der Zusammenarbeit sicher sowieso angebracht, aber da die Texte nicht aufwändiger werden, ist sie natürlich eine Art geschenktes Geld. Ob der Verlag meine Texte tatsächlich weiter verkaufen kann, ist dabei noch einmal ein ganz anderes Thema. Der Chefredakteur hat mir zugesagt, dass es dazu eine Offenlegung geben wird, und wir gegebenenfalls nachverhandeln werden. Für mich ein deutliches Zeichen: Widerstand kann sich lohnen. Auch wenn es bis zu zwei Jahre dauert, bis etwas geschieht.
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