Content Marketing: Wenn Grenzen verwischen und sich alles um die Zielgruppe dreht
Content Marketing: Wenn Grenzen verwischen und sich alles um die Zielgruppe dreht

Stellt Euch einen Artikel vor, in dem es um die richtige Geldanlage fürs Kind geht. Darin werden keine Finanzinstitute genannt und keine Namen von Geldanlageprodukten. Dafür zitiere ich eine Verbraucherschützerin. Diesen Artikel habe ich so vor vielen Jahren für eine große überregionale Tageszeitung geschrieben. Kurze Zeit später habe ich diesen Text ein zweites Mal verkauft – an eine Bank. Ich habe nichts in diesem Text geändert – außer dem Dokumentennamen. Im ersten Fall, da sind sich alle einig, handelt es sich um unabhängigen und seriösen Journalismus. Im zweiten Fall, so höre ich immer wieder, hätte ich eine PR-Leistung erbracht. Den Banken veröffentlichten üblicherweise keine journalistischen Texte, sondern machten das verrufene Content Marketing.

Ehrlich gesagt ist mir diese Diskussion zu doof. Die Zeitung veröffentlicht gute Texte, um ihren Leser*innen interessante Inhalte zu bieten und möglicherweise neue zu gewinnen. Zur Finanzierung nutzt sie häufig Werbeanzeigen. Je mehr Leser*innen eine Zeitung hat, desto mehr kann sie für eine Anzeige verlangen. Je besser also die Inhalte in einer Zeitung sind, desto mehr Leser*innen hat sie, desto mehr kostet es, dort eine Anzeige zu schalten. Eine Bank veröffentlicht einen objektiven, vielleicht kritischen Text, um ihre Kund*innen zu informieren und um eine Vertrauensbasis herzustellen. 

Meine Arbeit ist immer journalistisch

Für mich als Autorin macht das erst einmal keinen großen Unterschied. Ehrlich gesagt ist es mir auch egal. Was für mich wichtig ist: Ich schreibe einen journalistischen Text. Ich bekomme weder von der Tageszeitung noch von der Bank eine Vorgabe, in welche Richtung dieser Text laufen soll. Weder bei der Zeitung noch bei der Bank soll ich Produkte nennen – und schon gar nicht möglicherweise schlechte Produkte lobend erwähnen. Dementsprechend sehe ich mich als Journalistin – auch wenn mein Kunde eine Bank oder irgendein anderer Kunde ist, in dessen Medien man keine klassischen journalistischen Inhalte erwarten würde. Wie bizarr die Situation und die Diskussion um die Frage Journalismus oder Content Marketing oft ist, kann ich noch an anderen Beispielen zeigen:

Ist das Content Marketing oder Journalismus?

Einer meiner langjährigen Kund*innen produzierte über viele Jahre ein Begleitprodukt zu einer TV-Sendung. Die Kolleg*innen hatten sogar Schreibtische in der TV-Redaktion. Damals war es überhaupt keine Frage: Sie wurden als Journalist*innen gesehen. Nachdem die Kooperation ausgelaufen ist, produzieren die Kolleg*innen noch immer dasselbe Produkt. Es hat nur einen anderen Namen, und die Redaktionsräume sind jetzt außerhalb. Plötzlich wird es von vielen als Content Marketing verstanden, nicht mehr als Journalismus. Quasi über Nacht sollen die Macher*innen also die Seite gewechselt haben, obwohl sich außer dem Namen und der Produktionsstätte nichts geändert hat. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Noch ein Beispiel: Die Content Marketing Tochter einer überregionalen Tageszeitung hatte bei mir einen Artikel zu einem besonderen Segment des Finanzmarktes in Auftrag gegeben. Um mich zu briefen, um was es dabei inhaltlich geht, schickte man mir einen Link zu einem Artikel der im Muttermedium, also der Tageszeitung erschienen war. In diesem Artikel gab es aber einen inhaltlichen Fehler. In meinem Content-Marketing-Artikel allerdings nicht. Um diese Geschichte noch bizarrer zu machen: Ich hatte als Trainerin einen Volontär dieser Zeitung in einem Kurs sitzen. Als ich erwähnte, dass ich für die hauseigene Content Marketing Tochter schreibe, schaute er mich äußerst mitleidig an. Warum, frage ich mich da.

Wie ist das mit den Mitgliedszeitschriften und Content Marketing?

Und noch eine Geschichte: Es ist einige Jahre her, dass mir ein Kollege sagte, ich würde keinen Journalismus machen, wenn ich Verbraucherartikel für ein Mitgliedermagazin einer sehr speziellen Berufsgruppe schreibe, die mit Verbraucherthemen nichts am Hut hat. Das sei nichts weiter als besonders cleveres Content Marketing, sagte er. Meine Argumentation, dass ich für dieses Magazin nicht anders arbeite, als wenn ich für ein klassisches journalistisches Produkt schreibe, ließ er nicht gelten. Auch nicht, dass der Artikel schon einmal in einem klassischen journalistischen Produkt erschienen war. Denn Mitgliedermagazine hätten schließlich lediglich den Sinn, Mitgliedern eines Vereins oder Verbandes einen Mehrwert für ihre Beiträge zu gewähren und sie mit interessanten Artikeln bei Laune zu halten. Da frage ich mich ganz ketzerisch, ob bei dieser Argumentation der Journalist oder das DJV-NRW Journal eigentlich Journalismus oder Content Marketing sind?!

Die Sache mit der PR

Ich will mit diesem Artikel nicht sagen, dass es keinen Unterschied zwischen PR und Journalismus gibt – natürlich gibt es den. PR ist für mich allerdings uninteressant, denn daran habe ich keinen Spaß. Ich will journalistisch arbeiten. Darum schreibe ich beispielsweise keine Pressemitteilungen. Und ich lobe keine Produkte in den Himmel, wenn sie verbraucherjournalistisch inakzeptabel sind. Das würde schließlich meiner Glaubwürdigkeit schaden. Ich arbeite auch nicht für Auftraggeber*innen, die verbraucherjournalistisch für mich relevant sind. Und falls es zufällig doch einmal zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, lege ich das gegenüber meinen Kund*innen offen. Das funktioniert seit vielen Jahren sehr gut – es macht mir Spaß, und durch einen Mix meiner Kund*innen aus ganz verschiedenen Bereichen kann ich als Selbstständige vom geschriebenen Verbraucherjournalismus auch recht gut leben. Ob er von manchen als Content Marketing bezeichnet wird, ist für mich an dieser Stelle zweitrangig.

Die Sache mit dem Content Marketing

Ein Kommentar zu „Die Sache mit dem Content Marketing

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