Ist das Kunst? Was ist Kunst?
Ist das Kunst? Was ist Kunst?

Soziale Medien sehe ich natürlich immer aus meiner Perspektive als Journalistin: Sie dienen der Vernetzung, der Kommunikation, vielleicht auch der PR. Ich kann darüber Nachrichten bestimmten Zielgruppen zugänglich machen. Oder als PR-Expert*in eben meine Zielgruppe auf meine Themen aufmerksam machen. Dass Künstler*innen soziale Medien möglicherweise ganz anders sehen und nutzen, war mir bis zum Februar 2020 nicht bewusst. Damals war ich aber auf einem Vortrag zu genau diesem Thema. Und weil daraus ein Kauf von Kunst resultierte, der jetzt seit gut einem Jahr in meinem Flur hängt und meine Gedanken beschäftigt, wird es Zeit, davon zu berichten.

Künstler*innen und soziale Medien

Natürlich kann man auch in der Kunstszene nicht eine allgemeine Einstellung zu sozialen Medien ausfindig machen. Es gibt Künstler*innen, die soziale Medien doof finden. Andere, die zumindest kommentieren oder sich für diese Kanäle interviewen lassen. Und dritte, die darüber Kunst verkaufen. So beispielsweise @dompteurmooner bei Instagram. Seine Einstellung bei dem Vortrag in der Kunstfachhochschule in Köln: „Kunst darf nicht nur für eine Elite sein“. Das finde ich zunächst einmal gut. Dompteurmooner setzt darum auf Instagram und Zufallskunden, die er ohne diesen Kanal niemals finden würde. Er postet dort seine Collagen – und Kunden kaufen sie für um 50 Euro das Stück.

Auf der anderen Seite ist Christoph Bangert, der zehn Jahre unter anderem für die New York Times fotografiert hat, und zwar aus Krisenregionen. In der Zwischenzeit vor sieben Jahren ist er komplett aus social Media ausgestiegen, hat, wie er selbst es sagt, „digitalen Selbstmord“ begangen. Für ihn ist es eine Frage, ob man Kunst macht, um Kunst zu machen – oder um Likes und Follower zu gewinnen. Ihm wirft man vor, elitär und arrogant zu sein. Somit ist er die Gegenthese zu Dompteurmooner.

Dann gibt es beispielsweise noch Andy Picci und Andy Kassier – beide machen eine Kunst, die ohne soziale Medien gar nicht existieren würde. Der eine entwirft beispielsweise AR-Filter für Instagram, der andere inszeniert sich dort selbst als künstliche Person – seine Fotos und Storys sind also die Kunst an sich.

Meine gekaufte Kunst – ist sie wirklich Kunst?

Mir gingen die Collagen von Dompteurmooner nicht mehr aus dem Kopf. Wir hatten uns über Instagram nach der Veranstaltung verbunden. Ich hatte eine Story gemacht zum Thema Bücher bei Resellern verkaufen – und er hatte sich darauf gemeldet: Bücher, die kein Geld mehr brächten, könnte man auch ihm schicken, damit er sie zu Kunst macht. Daraus entstand meine Idee: ich würde ihm einige Fachbücher schicken. Er macht daraus eine Collage, die zu mir passt – aus meinen Büchern. Ich bezahle die Collage natürlich – aber er übernimmt das Porto, weil er ja die Bücher bekommt. Wir machen außerdem beide eine Instastory daraus, jeder aus seiner Perspektive. Und natürlich verlinken wir den anderen. Er war einverstanden.

Tja, und dann kam es etwas anders als erwartet: Er hat keine Instastory zu der Geschichte gemacht, ich schon. Dementsprechend hatte er den Nutzen, dass ich ihn unter meinen Followern bekannter gemacht habe, er mich aber nur nach Abschluss des Projekts zweimal erwähnt hat. Schade. Aber hier unterscheiden sich dann wahrscheinlich Künstler*innen und Journalist*innen das erste Mal deutlich: Journalist*innen wissen, was eine Story ist, Künstler*innen machen Kunst.

Und die Collage?

Seine Collage ist alles in allem nicht schlecht. Er hat auch mein Thema so ein bisschen aufgenommen. Aber er hat sie leider nicht aus meinen Büchern gemacht. Zu wenige Fotos, sagte er. Dabei finde ich, man hätte aus den Bildern in den Büchern und vor allem aus den Titelseiten schon etwas machen können. Aber so hat eben jeder seinen eigenen Blick auf die Sache. Außerdem unterscheiden sich hier freie Journalist*innen ein zweites Mal von Künstler*innen. Ich verstehe mich selbst ja eher als Dienstleisterin. Wenn ein*e Kund*in bei mir etwas in Auftrag gibt, ist es meine Aufgabe, seine oder ihre Wünsche zu erfüllen.

Oder anders gesagt: Ich hätte mir eine Collage aus meinen Büchern gewünscht, um mich an meine Bücher auf diesem künstlerischen Weg zu erinnern. Bekommen habe ich eine Collage eines Künstlers. Und die hängt jetzt eben im Flur. Und ich frage mich, je mehr Zeit vergeht, ob ich sie eigentlich mag oder nicht.

Kunst ist halt keine Dienstleistung

Davon abgesehen bin ich ganz froh darüber, diesen Versuch gemacht zu haben. Ich habe nämlich einige sehr alte Bücher, die mein Opa mir vor seinem Tod geschenkt hat. Und ich hatte tatsächlich darüber nachgedacht, dass eine Collage aus diesen Büchern und einem Foto von ihm vielleicht eine schönere Erinnerung wäre als die Bücher im Schrank, die ich vermutlich nie mehr lesen werde. Vor allem, weil man aus diesen Büchern ja auch mehrere Collagen für mehrere Familienmitglieder hätte machen können. Jetzt bin ich froh, dass ich Dompteurmooner als Test zunächst meine Fachbücher geschickt habe. Denn wie enttäuscht wäre ich gewesen, wenn er die Bücher meines Opas nicht verarbeitet hätte. Und wie schmerzlich wäre deren Verlust für mich gewesen! 

Vielleicht kann dieser Artikel für Künstler*innen, die den Kommerz nicht scheuen, eine Anregung sein: Wer als Künstler*in etwas mehr Dienstleister*in ist, hat möglicherweise bessere Verkaufschancen. Wer Kunst der Kunst wegen macht, kann damit natürlich nichts anfangen.

Die Sache mit der Kunst und den sozialen Medien
Markiert in:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Entdecke mehr von Bettina Blaß

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen