Der 5. Juni war ein großer Tag für mich: Um halb 12 verließ ich die Praxis meiner Logopädin. Für sie bin ich geheilt, ich kann wieder reden. Zwar steht noch die offizielle Bestätigung des Hals-Nasen-Ohren-Arztes aus, aber ich finde, ich höre mich gut an – wieder. Denn vier Monate lang konnte ich fast gar nicht reden. Als Journalistin und Dozentin nicht gerade die beste Voraussetzung.
Auslöser: Lungenentzündung
Es begann am 7. Januar. Ich war gerade aus dem Urlaub zurück, und plötzlich kam beim Atmen ein Röhren aus meiner Brust. „Was ist das?“, fragte ich mich, aber ich hatte keine Erklärung dafür. Am nächsten Tag war ich krank. Und es wurde stündlich schlimmer. Unter anderem hatte ich Fieber und Husten, der in den kommenden Tagen stärker und stärker wurde. Der Hausarzt gab mir Antibiotikum, das nicht anschlug und dass ich auch nicht vertrug. So landete ich am Samstagmorgen um 6 beim ärztlichen Notdienst, der mich ins Krankenhaus überwies. Dort kam man zwei Tage später auf die Idee, meine Lunge zu röntgen: Lungenentzündung, bedingt durch einen Virus. Ich hustete mir die Seele aus dem Leib. Und täglich wurde meine Stimme dabei schwächer und schwächer.
Weitere drei Tage später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich hatte in dieser Zeit keine Buchseite gelesen, keine Minute TV geschaut oder Radio gehört, und nein, auch im Internet war ich kaum. Ich war krank, so krank wie noch nie zuvor. Ich fuhr mit dem Taxi nach Hause, weil ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, und das blieb so noch einige Tage. Außerdem konnte ich nicht reden. Meine Stimme war weg.
Stimmlippen-was?
Nicht ungewöhnlich nach einer Lungenentzündung, aber eigentlich sollte es nach einigen Tagen besser werden, sagte Doktor Internet. Falls das nicht so sei, müsse man zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO), denn es könne sich um eine Stimmlippen-Lähmung handeln. Was für ein schreckliches Wort! Ich ging zum HNO, der versuchte, in meinen Rachen zu sehen. Das war unmöglich, weil ich noch immer hustete, obwohl die Lungenentzündung an sich überstanden war. Er bot mir eine Igelleistung an: Hochdosierte Vitamine, intravenös. Klingt nach Blödsinn für viel Geld. Ich hab’s trotzdem gemacht, und ich verstehe nicht, warum die Krankenkasse das nicht zahlt: Nach zwei Sitzungen war mein Husten weg.
Jetzt konnte der Arzt mich untersuchen: Ich musste die Zunge herausstrecken, er hielt sie fest. Gleichzeitig steckte er einen Stab mit einem Licht in meinen Rachen und ich sollte „Hiiiii“ sagen und dabei hechelnd atmen. Ich hasse diese Untersuchung. Und ich hasste noch mehr die Diagnose: Stimmlippenlähmung, bedingt durch einen Virus, zum Glück nur einseitig, ab zum Logopäden.
So klang ich Anfang Februar
Stimmlippen-Lähmung, so sagt Doktor Internet, dauert etwa drei bis sechs Monate. Ich durchpflügte das Netz nach unterstützenden Mitteln: Anis-Pyrit-Tabletten halfen nicht wirklich, Salz-Dampf-Inhalation dreimal am Tag brachte auch keine nennenswerten Fortschritte. Welche Rolle die Akupunktur bei der Heilung spielte, kann ich nicht beurteilen – ich ging auf jeden Fall sieben Mal auf eigene Kosten in eine entsprechende Praxis.
Meine Stimme und ich
Zusätzlich zu zweimal die Woche zum Logopäden war das ein strammes Gesundheitsprogramm. Alles in allem fehlte mir pro Woche ein Arbeitstag. Das verursachte Stress, der sich wieder auf die Stimme auswirkte. Ein ungesunder Kreislauf. Meine Logopädin schaffte es, mir immer wieder Mut zu machen, auch wenn mir speziell zu Anfang eher zum Weinen war, wenn ich eine Übung machte, und nur ein Krächzen aus meinem Mund kam. A propos Übungen: natürlich musste ich die auch an den Tagen machen, an denen ich nicht in der Praxis war: Halte die Vokale so lange es geht! 15 Sekunden sind normal, ich kam maximal auf sieben Sekunden. Außerdem hatte ich in der Zwischenzeit gelernt, wie schlecht Orangensaft, Kaffee, Kohlensäure und Milchprodukte für meine Stimmlippe sind: Sie verschleimen den Rachen – und das ist nicht zielführend. Ich verzichtete also darauf.
Und so klang ich im März
Trotzdem gab es Ende März einen totalen Rückfall: Nach einer Lungenentzündung, so hatten mir alle Ärzte gesagt, müsse man sich sehr schonen, denn zwölf Wochen lang sei man sehr anfällig für alle Viren und Bakterien. Obwohl ich nicht Karneval gefeiert hatte und kaum ausging, war es Ende März soweit: Fieber, Erkältung Husten. Im Anschluss Bakterien in der Nase, dann eine Nebenhöhlenentzündung, die an einem Samstagmorgen wieder beim ärztlichen Notdienst gipfelte, denn ich hatte eine dicke Schwellung unterm Auge. Und eine Woche später war die Stimme dann wieder weg. Der Akupunkteur schlug die Hände über dem Kopf zusammen und setzte zwei, drei Nadeln mehr, die Logopädin kämpfte mit mir um jeden Ton.
Und dann war sie wieder da
Es war Sonntag, der 26. April, und ich war gerade von einer Wochenendfortbildung zum Thema „Stressmanagement“ zurück. Nach dem Tatort sprach ich mit meinem Mann, und hatte plötzlich wieder meine gewohnte Stimme. Ich konnte es nicht glauben! Meine Euphorie wurde allerdings am nächsten Morgen gedämpft, denn die Stimme war nicht mehr so gut wie am Vorabend. Einige Tage später fuhr ich jedoch in Urlaub, eineinhalb Wochen Nordseeküste mit Entspannungsprogramm der Krankenkasse. Seither ist meine Stimme wieder die alte. Zum Glück.
Was ich über meine Kunden gelernt habe
Ich habe die tollsten Kunden der Welt. Als ich im Krankenhaus lag und die Wochen darauf, musste ich beispielsweise ein DJV-NRW-Seminar absagen, aber auch einige Artikel konnte ich nicht rechtzeitig abgeben. Meine Kunden waren spitze. Einige schrieben nur Mails, um zu fragen, wie es mir geht. Andere, mit den ich nicht telefonieren konnte, da mir ja die Stimme fehlte, schrieben mir Romane – obwohl das für sie arbeitsintensiv war. So konnte ich wenigstens ein bisschen weiterarbeiten. Auch meine Interviewpartner waren super. Die meisten ließen sich auf Mail-Interviews ein, nachdem ich mein Problem geschildert hatte. Ende Februar musste ich allerdings einen Workshop leiten. Der Kunde konnte keinen Ersatz bekommen, eine Absage wäre für ihn unfassbar teuer geworden. So besorgte er die Konferenztechnik, die ich benötigte, um selbst in einem kleinen Raum von allen gut verstanden zu werden. Und es hat geklappt. Irgendwie.
Einen Auftrag habe ich verloren
Noch während ich im Krankenhaus lag, bekam ich eine Seminaranfrage für September. Ich schrieb zurück, dass ich im Krankenhaus liege, mich aber in der Woche darauf melden würde. Das tat ich auch, ich schrieb, dass ich das Datum geblockt habe, dass die Feinabstimmung des Seminars aber noch einige Tage warten müsse, weil ich eben keine Stimme habe. Zwei Wochen später schrieb ich, dass ich jetzt versuchen könne zu telefonieren – und bekam als Antwort zurück, dass man sich für einen anderen Referenten entschieden habe, da man intern das Seminar habe festzurren wollen. Wohlgemerkt: Es war Februar und das Seminar sollte im September stattfinden. Der Bildungsträger gehört übrigens zur katholischen Kirche. Soviel zum Thema Nächstenliebe.
Was sagt die Berufsunfähigkeitsversicherung dazu?
Zwischendurch, als es ganz schlimm war, dachte ich, vielleicht könne die Berufsunfähigkeistsversicherung (BU) temporär einspringen. Für so etwas hat man sie ja. Aber ich lernte, dass ich sie zu spät abgeschlossen habe: Ich war noch nicht die erforderliche Zeit versichert, um überhaupt auf eine Leistung hoffen zu dürfen. Auch darum kann ich heute nur jedem raten, eine BU so früh wie möglich abzuschließen.
Alles in allem hatte ich aber Glück im Unglück: Ich hatte nur eine einseitige Stimmlippen-Lähmung. So konnte ich wenigstens die meiste Zeit krächzen. Wären beide Stimmlippen gelähmt gewesen, hätte ich gar nicht mehr reden können. Ich hatte auch Glück, weil die Stimmlippe in einer optimalen Stellung gelähmt wurde. Wäre sie weiter rechts oder weiter links unbeweglich liegen geblieben, hätte man mich operieren müssen. Und ich hatte nochmals Glück: Als Radiojournalistin wäre das alles noch viel schlimmer gewesen.
Außerdem habe ich in diesen Monaten viel gelernt. Über mich, über meine Kunden – und verdammt viel über meine Stimme.
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