Blogs, die meine Studierenden interessierten
Blogs, die meine Studierenden interessierten. Ein Klick aufs Bild vergrößert die Ansicht

Lange, sehr lange Zeit, sollte ich Studenten am Journalistischen Seminar in Mainz in drei Tagen fit für Onlinejournalismus machen. Ein Unding. Denn wenn man Onlinejournalismus nur theoretisch lehrt, wird er zum Offlinejournalismus. Das hat sich zum Sommersemester 2014 geändert – und die Konsequenzen sind mehr als erfreulich.

Onlinejournalismus ohne Praxis ist Offlinejournalismus

Nachdem ich 2013 als Austauschdozentin an der Uni in Memphis war, wünschte ich mehr innerlichst sehr, mehr Zeit mit den Studierenden in Mainz verbringen zu können, um richtige Projektarbeit zu machen. Es erschien mir dementsprechend fast wie ein Wunder, als es plötzlich von der Uni Mainz hieß: Die Studis sollen mehr Onlineerfahrung bekommen. Zugegeben: Ich war ein bisschen aufgeregt, als ich in der ersten Semesterstunde im Sommersemester verkündete, dass jeder ein journalistisches Blog machen solle. Und war wirklich froh, dass alle mitgezogen haben ohne zu mosern.

Nun war die Kluft zwischen den Studierenden zu Beginn tief: Einige bloggten schon lange, andere hatten sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt. Um alle auf einen Stand zu bekommen und gleichzeitig die, die schon Erfahrung hatten, trotzdem nach Vorne zu bringen, gingen wir das Thema so an:

  • Jeder Studierende musste sich zwei bis drei journalistische Blogs aussuchen, die er künftig verfolgen sollte. Hier gibt es eine nicht vollständige Liste der Blogs, die sich die Studenten ausgesucht hatten. Sinn des Ganzen: Sehen, wie andere Journalisten mit dem Thema Bloggen umgehen und welche Relevanz es für die Branche hat.
  • Jede Woche gab es eine Blogschau, in der die Studierenden kurz zusammenfassten, was ihnen bei den Blogs aufgefallen war, die sie beobachteten. Der tiefere Sinn dieser Übung: Die Studierenden mussten sich wirklich mit den Blogs auseinandersetzen. Und wir bekamen so Einblicke in das, was gerade das Netz bewegt. Daraus entspannen sich manchmal gute Diskussionen – beispielsweise zum Krautreporter-Projekt.
  • Jeder Studierende sollte sich ein Blog einrichten und das im Laufe des Semesters voranbringen. Dazu gab es jede Woche eine neue Aufgabe: Text schreiben, Video einbetten, ThingLink machen, social media nutzen und so weiter. Sinn: Übung macht den Meister. Am Ende hat hoffentlich jeder eine vorzeigbare Internetseite.

Warum wir im Fach Onlinejournalismus bloggen

Natürlich hätte man auch ein gemeinsames Projekt zu einem Thema starten können. Ich weiß aber aus den Erfahrungen mit den Abschluss-Projekten der vergangenen Jahrgänge, dass sich daran nicht alle gleichmäßig beteiligen. Manche übernehmen dann die Arbeit mit WordPress – andere drücken sich davor. Das ist nur ein Beispiel. Und das ist keine gute Vorbereitung auf die Wirklichkeit. Darum war es mir wichtig, dass jeder sein eigenes Projekt hat.

Ich gehe auch davon aus, dass man bei einem eigenen Projekt nicht so schnell die Lust verliert – insbesondere, wenn man sich das Thema selbst ausgesucht hat. Ein weiterer Pluspunkt eines eigenen Blogs ist natürlich das Personal Branding. Beginnen die Studierenden erst im letzten Semester damit, im Netz aktiv zu sein, haben sie viel wertvolle Zeit verloren. Denn der Aufbau zur Marke geschieht nicht über Nacht. So üben sie sich im besten Fall über drei Semester – eine Zeit, in der man etwas Tolles aufbauen kann. Finden künftige Auftrag- und Arbeitnehmer ein gutes Blog, macht das deutlich mehr her als ein schlecht gepflegtes Facebook-Profil.

Das Tolle am Blog ist außerdem, dass man eben nicht nur bloggt, sondern sich gleichzeitig in allen modernen Darstellungsformen üben kann. Darum besteht die Aufgabe eben auch darin, multimedial zu denken und zu arbeiten. Das schult für die Zukunft. Und ein kleines bisschen habe ich auch die Hoffnung, dass so eine Generation von Kollegen fit gemacht wird für einen guten Onlinejournalismus jenseits von Copy & Paste. Für einen Onlinejournalismus, der seinen Namen Wert ist. Für einen Onlinejournalismus, der Inhalte mediengerecht umsetzt.

Mein Fazit

Es ist klar, dass bei rund 20 jungen Menschen nicht alle Blogs gleich gut sein können. Erfreulich ist aber, dass einige der Blogs wirklich ganz hervorragend geworden sind. Mich freuen außerdem die kleinen Erfolgserlebnisse, die die Studierenden zu berichten hatten: Eine Studentin hatte einen kleinen Auftrag über ihr Blog bekommen. Eine andere war entzückt, dass plötzlich ein bekannter Journalist aus ihrer Fachrichtung ihr bei Twitter folgte und ihre Beiträge kommentierte. Ein Dritter erreichte mit einem Beitrag eine hohe vierstellige Zahl an Lesern.

Außerdem freut es mich natürlich, dass einige so vom Blogfieber infiziert sind, dass sie angefangen haben, selbst zu hosten. Das ist natürlich die allerbeste Voraussetzung für eine journalistische Zukunft im Netz. Wer sich jetzt darüber wundert, dass ich die Blogs nicht verlinke: Ich möchte niemanden in den Vordergrund stellen, und die Noten fürs Sommersemester sind noch nicht gegeben. Aber einen Link kann ich hier auf jeden Fall nennen: Der Kurs war nämlich auf Studienfahrt in Riga und hat freiwillig zur Printübung und ohne mein Wissen eine Onlineseite ins Netz gebracht. Darauf bin ich ein wenig stolz.

Übrigens wird es die Onlineredaktion auch im Wintersemester an sieben Tagen geben. Und ich gebe es ehrlich zu: Ich freue mich, mit dieser hochmotivierten Gruppe weiterzuarbeiten. Was wir dann machen werden, verrate ich an dieser Stelle noch nicht. Aber es wird sehr viel Spaß machen – und es wird gut werden, da bin ich mir sehr sicher!

Update: Aufgrund der hohen Nachfrage habe ich die Studenten gefragt, wer sich mit seinem Blog ins Rampenlicht getraut. Diese wagen sich:
Christopher D. – Strafraumprediger
David Ehl
Annette Rehn – Weinologie
Anna Steiner – Economy feat. Ecology

Zu meinem Gastbeitrag zum Thema in der Schreibwerkstatt.

Wie man seine Studenten fürs Bloggen begeistert
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8 Kommentare zu „Wie man seine Studenten fürs Bloggen begeistert

  • August 8, 2014 um 12:21 pm Uhr
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    Ein ganz tolles Projekt! Gibt es eine Liste der studentischen Blogs?

    Herzlichen Gruß
    Huberta Weigl

    Antworten
    • August 8, 2014 um 12:24 pm Uhr
      Permalink

      Liebe Frau Weigl,
      danke! Nicht alle Studenten sind mit ihrer Arbeit schon zufrieden. Für viele ist es das erste Mal, dass sie in die Weite des Netzes gehen. Darum wollen sich einige noch so weit es geht in der Anonymität verstecken. Ich werde aber einmal fragen, wer schon soweit ist, dass er viel Öffentlichkeit vertragen kann – und melde mich dann wieder.
      Viele Grüße

      Antworten
    • August 8, 2014 um 2:37 pm Uhr
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      So! In der Zwischenzeit haben sich einige Studierende gemeldet, deren URLs ich weitergeben darf. Sie finden sie im Blogbeitrag ganz unten.

      Antworten
  • August 8, 2014 um 12:31 pm Uhr
    Permalink

    Ich lehre wissenschaftliches Arbeiten an verschiedenen Unis und hätte auch gerne einmal etwas in dieser Art probiert, denke aber, dass die Studenten nicht leicht mitziehen. Eben genau aus den Gründen, die Sie ansprechen …

    Herzlichen Gruß
    Huberta Weigl

    Antworten
    • August 8, 2014 um 12:35 pm Uhr
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      Ha! Das kenne ich! Und dann war ich in Memphis. Und habe dort mit großem Staunen gesehen, dass die Studenten ein Twitter-Profil haben mussten, ein professionelles Facebook-Profil, ein LinkedIn-Profil, einen YouTube-Account, sie mussten ihren Klout-Score kennen und und und. Und ich dachte: Das kriegst Du in Deutschland nie durch! Und so kam ich auf das Blog, was ja sehr viele sinnvolle Sachen vereint und im Zweifelsfall auch völlig anonym laufen kann …

      Antworten
  • August 9, 2014 um 6:01 am Uhr
    Permalink

    Vielleicht sind Studierende, die Journalismus o.ä. studieren, aufgeschlossener.

    Ich habe in den vergangenen Semestern für Studentengruppen, die ich betreut habe, jeweils eine Facebook-Gruppe angelegt, weil es an der Uni kein Moodle o.ä. gibt.

    Jedes Mal gab es große Vorbehalte. Manche wollten absolut nicht auf Facebook kommen (da hat es dann auch nichts geholfen, dass ich für diejenigen, die kein Profil anlegen wollten, einen Testaccountangeleght habe), manche haben gemeint, Facebook wäre nur etwas Privates. Ich könnte nicht erwarten, dass sie da regelmäßig hineinschauen.

    Herzlich
    Huberta Weigl

    Antworten
    • August 9, 2014 um 8:09 am Uhr
      Permalink

      In der Tat: Von Journalismusstudenten erwarte ich, dass sie Facebook, Twitter und Co als Instrument begreifen und als eben dieses benutzen. Wer das nicht tut, verschenkt viele Möglichkeiten – angefangen bei der Recherche. Junge Menschen, die sich nicht professionell mit der Weiterentwicklung des Netzes auseinandersetzen, werden es künftig sehr schwer haben, als Journalist bis zur Rente zu arbeiten. Es gibt trotzdem zwei Studenten auch bei uns, die sich Facebook verweigern. Für mich ist das ok – das sind erwachsene Menschen, die für sich selbst die Verantwortung tragen. Ich kommuniziere mit ihnen per Mail. Kommt es innerhalb der Facebook-Gruppe zu Diskussionen oder Fragen und Antworten, bekommen die beiden davon natürlich nichts mit – das ist aber ihr Problem. Übrigens ist dies auch meine erste Facebookgruppe mit einem Kurs. Ich habe das Gefühl, dass die Kommunikation mit den Studierenden noch nie so gut funktioniert hat wie über diese Gruppe.

      Antworten
  • Pingback:Warum Studenten bloggen sollten » Wirtschaft verstehen!

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