Gerade habe ich Anima Moribunda bei Facebook eine Freundschaftsanfrage gestellt. Und ich bin gespannt, was zurückkommt. Anima ist ein Protagonist im Krimi Deathbook, den Andreas Winkelmann geschrieben hat. Der Rowohlt Verlag hat ihn als eBook veröffentlicht. Genauer gesagt: Der Verlag veröffentlicht jede Woche eine Episode von rund 50 Seiten, die erste war kostenlos. Eine großartige Idee, wie ich finde. Und obwohl ich eigentlich keine Krimis mag, freue mich jede Woche auf die neue Folge.
Was das eBook von den meisten anderen unterscheidet, ist jedoch nicht nur die Aufteilung in Episoden. Vielmehr hat endlich ein Verlag verstanden, dass ein eBook nicht zwangsläufig nur aus Text bestehen muss. Im Deathbook wechseln sich darum Videoschnipsel und Text ab. Wird gechattet, läuft der Chat vorm Auge des Lesers ab. Manchmal tropfen auch digitale Tränen oder sogar Blut auf den Text. Und in der letzten Episode wurde der Leser zu einem Blog verlinkt und konnte dort die Beiträge lesen, die den Autor und guten Protagonisten Andreas Winkelmann zur Annahme brachten, der Blogschreiber sei wahnsinnig. Nur wenige Zeilen später kam der Link zum Facebook-Profil von Anima.
Ein multimediales eBook kann Kopfkino zerstören
Was mir am Projekt Deathbook wirklich gefällt, ist der Ansatz, eine Geschichte multimedial und über die sozialen Medien zu erzählen, um den Leser so tief ins Geschehen einsteigen zu lassen, wie er es möchte. Allerdings finde ich, dass die Umsetzung noch verbessert werden könnte. Das Design im iBook finde ich beispielsweise wenig ansprechend – aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass man mit Apples iBookauthor sehr schnell sehr schöne eBooks machen kann. Tränen und Blut, das auf mein digitales Papier tropft, mag eine nette Spielerei sein, aber die Geschichte bringt es nicht wirklich voran. Das ist mit den Videos und Chats natürlich anders. Allerdings habe ich festgestellt, dass die Videos, wenn sie die handelnden Personen zeigen, auch meine Fantasie in Grenzen sperren. So sieht das Mordopfer im Video viel älter aus, als ich gedacht hätte, die helfende Polizistin ist viel langhaariger als in meiner Vorstellung. Das kennt man ja von Literaturverfilmungen, die den Leser und Zuschauer enttäuschen, weil er sich beim Lesen sein eigenes, anderes Bild gemacht hat. darum frage ich mich, ob es sinnvoll ist, Videos einzubinden, auf denen die Handelnden zu sehen sind. Vielleicht wäre es besser mehr mit Tönen zu arbeiten, um Atmosphäre zu vermitteln. Oder nur Videos zu zeigen, auf denen die Gesichter der Handelnden nicht zu sehen sind.
Ein multimediales eBooks darf interaktiv sein
Auch der Einbezug des Lesers kann noch gesteigert werden: Ganz zu Beginn bekam ich eine Mail – vorgeblich vom Autor und Onkel der Getöteten. Er fragte, ob ich bei der Recherche helfen könne. Man sollte ihm schreiben. Das habe ich getan: „Klar, was soll ich tun?“, lautete meine Frage. Auf die ich aber keine Antwort mehr bekam. Dann kam eines Tages eine SMS mit Geodaten. Dort sollte man sich zu einer festgelegten Uhrzeit einfinden. Mich erreichte die SMS zu spät – und der Ort lag in Hamburg. Natürlich ist mir klar, dass eine weitere Personalisierung auf jeden einzelnen Leser zugeschnitten sehr schwierig und aufwändig ist. Aber hey, wäre es nicht cool gewesen, man hätte mir Geodaten zu einem Platz in Köln geschickt?
Umso gespannter bin ich, was nun mit meiner Freundschaftsanfrage auf Facebook passiert. Und ach ja, Facebook: Wie toll wäre es, der echte Autor würde die „Abonnieren“-Funktionen aktivieren. Dann könnte ich nämlich seinen Posts folgen, ohne mich mit ihm anfreunden zu müssen.
Sollte jetzt der Gedanke keimen, dass ich das eBook doof finde: Nein, ich finde es nicht doof. Auf keinen Fall! Ich finde, es ist ein tolles und innovatives Projekt. Aber der gesamte eBook-Sektor steckt noch in seinen Kinderschuhen. Und ich bin sehr gespannt darauf, wie die Bücher der Zukunft aussehen werden.
Liest noch jemand Deathbook? Was sind Eure Gedanken dazu? Wünscht Ihr Euch mehr solcher multimedialer eBooks?
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Vielen Dank für diesen Artikel, liebe Bettina Blass. Er bringt die Dinge auf den Punkt, an denen meiner Meinung nach viele ähnliche Projekte kranken. Man nutzt Tools, tolle Widgets und hüpft aufgeregt durch verschiedene Medien. Aber es wird nicht wirklich ein didaktisch durchdachtes Konzept verfolgt. Oder beim Drehbuch viel über Usability und Ähnliches nachgedacht. Ganz schwierig finde ich auch Interaktionen, die angestoßen werden und bei denen man dann irgendwann in der Luft hängt … Aber je mehr Erfahrungen man auf dem Gebiet des elektronischen Publizierens sammelt, umso mehr steigen die Chancen, dass solche Kinderkrankheiten dann irgendwann überwunden sind. Und ich stimme überein: Deathbook ist ein tolles Projekt und ich werde den Artikel hier zum Anlass nehmen, da einzusteigen! Herzliche Grüße von Anke von Heyl
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