Seit gut einem Monat teilt sie den Wohnzimmertisch mit uns: Alexa ist eingezogen. Ich habe mich lange dagegen gewehrt, doch als ich auf der Frankfurter Buchmesse hörte, dass auch G+J Medien Skills, also quasi Apps für Alexa, entwickelt hat, war es soweit. Ich beschloss, mir den digitalen Sprachassistenten von Amazon zu kaufen. Schließlich will und muss ich wissen, wohin sich Journalismus entwickelt.
Unsere Bedenken
Wir haben die gleichen Bedenken wie viele andere: Hört Alexa immer mit? Werden alle unsere Gespräche aufgezeichnet und in die USA geschickt? Schließlich ist es so, dass Sprachassistenten nur dann besser werden, wenn sie genutzt werden. Und dazu gehört auch, dass Fragen, die Alexa & Co nicht beantworten können in irgendeiner Form weitergeleitet werden. Denn wenn die Unternehmen der Firmen nicht wissen, was die Nutzer vom Produkt wollen, können sie es nicht weiterentwickeln. Insofern: ja, wir haben Bedenken. Aber wir verbringen auch nicht die meiste Zeit des Tages im Wohnzimmer.
Wie sich Alexa in den Alltag integriert hat
Von den Bedenken abgesehen haben wir uns verdammt schnell an die neue Bequemlichkeit gewöhnt: „Alexa, füge Essig zur Einkaufsliste hinzu“, „Alexa, stell den Timer auf 30 Minuten“, „Alexa, wie wird das Wetter?“, „Alexa, spiele WDR 4“, „Alexa, wann fährt die nächste Bahn an der Gutenbergstraße?“, „Alexa, was kommt heute im Fernsehen?“. Sehr praktisch finde ich, dass wöchentlich eine Mail kommt mit neuen Fragen, die der Sprachassistent beantworten kann. Um ehrlich zu sein freue ich mich immer schon darauf, sie stellen zu können.
Medien Skills auf Alexa
Die für mich wichtigste Frage ist jedoch jeden Tag: „Alexa, was gibt’s Neues?“. Und damit sind wir beim Thema. Es gibt super-viele Nachrichten Skills, beispielsweise von Bild, n-tv, der Deutschen Welle, der Rems-Zeitung, dem Main-Echo – aber auch von Bitkom, der Telekom oder dem Bürgerportal Bergisch Gladbach. Man aktiviert die Medien Skills, die man künftig nutzen möchte. Das heißt, sie werden zu einer langen Liste zusammengefügt. Innerhalb der Liste lässt sich händisch die Position des Mediums verändern. Ich hatte bisher beispielsweise die FAZ auf Platz 1, jetzt habe ich sie auf den letzten Platz geschoben. Warum, erfahrt Ihr gleich.
Die Medien Skills spricht man an, indem man fragt: „Alexa, was gibt’s Neues?“. Der Sprachassistent gibt mir dann meine tägliche Nachrichtenzusammenfassung. Dazu arbeitet sie die Medien Skills aus der Liste von oben nach unten ab. Bei jedem Medium gibt es dann etwa vier bis fünf kurze Texte. Bei mir macht das derzeit eine Gesamtlaufzeit von rund 19 Minuten.
Zwei Typen von Medien Skills
Grundsätzlich kann man zwei Arten von Medien Skills unterscheiden:
- Skills aus Rundfunkhäusern, das sind bei mir Tagesschau, Heute Express, Deutschlandfunk und WDR 1 Live.
- Skills aus Zeitungshäusern. Bei mir sind das FAZ, Spiegel Online, Handelsblatt, Wirtschaftswoche.
Ganz klar im Vorteil sind hier die Nachrichten aus den Rundfunkhäusern, und zwar aus drei Gründen:
- Es gibt bereits eine Sprachdatei. Das kann man viel besser anhören, als wenn eine Computerstimme einen Text vorliest.
- Es handelt sich bei diesen Inhalten um richtige Nachrichten. Bei den Printmedien wird in der Regel der Online-Teaser vorgelesen, und das funktioniert oft nicht, wie Ihr gleich noch lesen werdet.
- Die Rundfunkmedien haben bereits einen Jingle oder eine andere Form des Brandings. So weiß der Hörer, bei welchem Medium er sich befindet. Das fehlt bei den Printmedien Skills und der kurz genannte Namen geht eher unter.
Ein Problem habe ich allerdings mit der Tagesschau in 100 Sekunden und Heute Express: Dort höre ich immer merkwürdige Hintergrundgeräusche, und ich weiß nicht, woher sie kommen.
Wo Printmedien Skills nachbessern müssen
Wäre ich Digitalverantwortlicher bei einem Printmedium, würde ich ab sofort dreimal am Tag Nachrichten sprechen lassen, um Alexa und andere Sprachassistenten zu bedienen. Ich bin nicht sicher, ob die Onliner und ihre Vorgesetzten sich die Mühe machen, ihre Nachrichten selbst anzuhören. Würden sie es tun, würden sie feststellen, dass das deutlich besser geht. Und genau das ist der Grund, warum ich den FAZ Skill nach unten geschoben habe: Er funktioniert nicht gut.
- Die Computerstimme hilft nicht beim Zuhören. Das Internet ist schon lange multimedial. Wer als Printmedium dabei sein will, muss spätestens jetzt die Onlineredaktion zur Multimediaredaktion umbauen und wegkommen von überwiegend Textformaten.
- Es gibt kein Branding. Alexa sagt zwar betonungslos, welches Medium jetzt verlesen wird. Aber das geht komplett unter. Dementsprechend ist der Skill kein Einzahlen in die Marke. Wenn man mit den Skills aber schon kein Geld verdient, dann sollte man wenigstens die Marke angemessen transportieren.
- Online-Teasertexte funktionieren Audio nicht. Gebraucht werden hier im Prinzip in sich geschlossene Radionachrichten. Denn es gibt bisher keine Möglichkeit, sich den gesamten Text vorlesen zu lassen, quasi per Stimme den Weiter-Knopf zu klicken.
Beispiele für nicht funktionierende Texte
Ich kann nicht sagen, dass es manche der von mir abonnierten Medien besser oder schlechter machen. Vielmehr ist es so, dass jedes Medium mal einen Teaser hat, der als Audionachricht nicht funktioniert. Ganz doof sind übrigens Rechtschreibfehler, denn die liest Alexa genau so vor. Kann man sie relativ schnell überlesen, so ist das etwas anderes, wenn man sie aufs Ohr bekommt. Sie sind dann nämlich unverständlich. Hier sind einige Teaser aus meiner Zusammenfassung vom 28. November 2017:
FAZ
„Hyundai pokert mit der Brennstoffzelle. Die Tage des Dieselantriebs sind gezählt. Und was kommt danach? Der größte koreanische Automobilhersteller Hyundai Motor hat große Pläne mit dem Wasserstoffantrieb.“
– aber welche nur, frage ich mich.
„Hilfe, wir wackeln! Unsicherheit mag der Deutsche gar nicht. Er schätzt stabile Verhältnisse. Das nimmt nun bizarre Züge an.“
– hier bleibe ich ehrlich gesagt sehr ratlos zurück. Worum geht es?
Spiegel Online
„Europa: Tausende wissen nichts von ihrer HIV Infektion. Im Schnitt vergehen drei Jahre bis ein Mensch in Europa von seiner HIV Infektion erfährt. Während die Zahlen der Diagnosen in der EU sinken, beobachten Forscher im Osten einen dramatischen Trend.“
– ja welchen denn, bitte?
Handelsblatt
„Vor 40 Jahren wurde Hanns-Martin Schleyer von der RAF ermordet. Bis heute ist unklar, wer genau den Arbeitgeberpräsidenten erschossen hat. Nun hat sich eine der beteiligten Terroristinnen bei Schleyers Sohn entschuldigt.“
– ja und wer war das?
Wirtschaftswoche
„Mit seiner Glyphosat-Zustimmung rückt Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ins Rampenlicht. Ist er ein Taktiker, der die GroKo sprengen will? Nein, eher ein sturer Protestant.“
– hä?
„Kameras über der Käsetheke, Lieferdrohnen und Bezahlen per Gesichtserkennung – getrieben durch Amazon erfindet sich der Handel neu. Wie der Supermarkt der Zukunft aussehen könnte“
– ja, wie denn, bitte?
Typische Nachrichten funktionieren nicht unbedingt
Gerade wenn man mehrere Medien Skills abonniert hat, bekommt man manche Meldungen zu oft zu hören. Das ist nicht verwunderlich, sondern liegt in der Natur der Nachricht beziehungsweise in den Nachrichtenfaktoren. Wer also mehrere überregionale Medien Skills abonniert hat, bekommt logischerweise häufiger die gleichen Themen – wenn auch aus immer einer etwas anderen Perspektive. Glyphosat und den Bürgermeister von Altena hatte ich zum Beispiel in 19 Minuten gleich fünfmal, viele andere Themen drei- oder zweimal. Das ist zwar nachvollziehbar, für mich als Nutzer aber doof. Und es hat Konsequenzen:
- Die Medien Skills, die die Nachrichten nicht gut präsentieren, stoppt man irgendwann oder schiebt sie ans Ende der Liste, was bedeutet, dass sie nicht mehr so präsent sind. Schon alleine darum muss auch Printmedien daran gelegen sein, sich und ihre Nachrichten besser zu präsentieren.
- Klar im Vorteil sind hier Medien, die einen thematischen Schwerpunkt haben wie beispielsweise das Handelsblatt oder die Wirtschaftswoche. Man weiß einfach, dass man dort Wirtschaftsnachrichten hören wird, die man in überregionalen Tageszeitungen eher nicht liest oder hört. Letztlich bedeutet das aber für die Tageszeitungen, dass sie sich viel mehr darüber klar werden müssen, was eigentlich ihre Kernkompetenz ist und wo sie eine besondere thematische Stärke haben. Mit diesen Themen werden sie punkten können. Nicht mit den typischen dpa-Nachrichten, die der Rezipient in allen Skills hört.
Was ich mir für die Zukunft der Medien Skills wünsche
Zusammengefasst lässt sich sagen: Ich hätte es nicht gedacht, aber ich finde die Sprachassistenten und die damit verbundenen Möglichkeiten toll. Trotzdem gibt es Optimierungsbedarf:
- Ich wünsche mir, dass die Computerstimme menschlicher klingt.
- Ich hätte lieber individuellere Nachrichten, zum Beispiel würde ich gerne von verschiedenen Medien jeweils nur ein Ressort abonnieren.
- Die Texte bei den Printmedien müssen besser werden.
- Ich würde gerne am Ende einer Meldung „weiter“ oder etwas ähnliches sagen, um dann den gesamten Text zu hören.
- Ich wäre bereit, für diesen Text zu bezahlen. Im Prinzip hätte ich also gerne eine Art Blendle für Alexa.
Welche Erfahrungen habt Ihr bisher mit den Medien Skills und mit Alexa gemacht? Welche Skills könnt Ihr empfehlen?
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