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Ein ungerechter Vertrag
Ein ungerechter Vertrag

Bereits im Mai bekam ich eine Mail einer Zeitung aus Süddeutschland. Der Absender schreibt mir:

Liebe Kollegin,
Sie schreiben für die xxx und damit auch für Sonderveröffentlichungen, die unser Haus für den xxx produziert. Wir sind mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden. Der „xxx“ wird künftig die Sonderveröffentlichungen (SVÖs) online verlängern. Daher weise ich auf folgendes hin: Im Zusammenhang mit den technischen Veränderungen eines modernen Zeitungsvertriebs entwickelt unser Verlag Publikationsformen für alle modernen Kommunikationstechniken, wie Internet, e-paper oder App. Dies gehört zum redaktionellen Kerngeschäft einer Tageszeitung und ist unerlässlich, damit die Wettbewerbsposition und die Zukunft des Verlags – und damit auch ihrer Autoren – gesichert werden. Wir erlauben uns deshalb, darauf hinzuweisen, dass mit vollständiger Zahlung des vereinbarten Honorars für den jeweiligen einzelnen Beitrag die Nutzungsrechte abgegolten ist, auch für die Online-Verlängerung.

Vertrag sichert Verlagszukunft

In dem folgenden dreiseitigen Vertrag wird mir erlaubt, meine Beiträge weiterzuverwerten, nachdem ich eine Frist von mindestens drei Tagen habe verstreichen lassen. Der letzte Satz lautet:“Jegliche urheberrechtliche Vergütung, auch die der elektronischen Nutzung, ist mit dem vertraglichen Honorar abgegolten.“ Abgesehen davon, dass ich es eine Unverschämtheit finde, dass ich kein Geld bekommen soll, obwohl der Verlag meinen Artikel künftig im Netz nutzen will, hat die Geschichte einen weiteren Haken: Ein Artikel, der im Netz steht, wird für andere Online-Kunden nahezu wertlos. Google mag es nämlich nicht, wenn Dubletten im Internet sind. Heißt: Ich bekomme vom ersten Kunden kein angemessenes Honorar und kann den Artikel im Prinzip an keinen meiner Onlinekunden weiterverkaufen. Dafür ist ein einfaches Printhonorar einer Tageszeitung viel zu niedrig. Ich unterschreibe diesen Vertrag also nicht. Und das teile ich auch meinem (ehemaligen) Kunden mit:

So nicht!

Lieber Herr xxx,
nach Ihrer Ankündigung im Mai habe ich während meines Urlaubs Ihre Verträge bekommen. Zunächst einmal freut es mich natürlich, dass Sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden sind. Ich habe volles Verständnis dafür, dass Sie Ihre Wettbewerbssituation und die Zukunft des Verlages durch Onlineverlängerung sichern wollen. Sicherlich haben Sie darum auch Verständnis dafür, dass ich meine finanzielle Zukunft gesichert wissen möchte. Das ist leider nicht gegeben, wenn meine Arbeit nicht entsprechend honoriert wird. Ich habe im August 2013 einmal ausgerechnet, was mir bei Ihrem Zeilenhonorar von 84 Cent an Gewinn für einen durchschnittlichen Artikel übrig bleibt: Es sind 9,97 Euro. Selbst wenn ich 20 Artikel im Monat zu diesem Honorar schreiben würde, könnte ich davon nicht leben. Einer Weiterverwertung meiner Texte im Internet ohne dafür ein höheres Honorar zu bekommen, stimme ich darum nicht zu.

Gerne können Sie mir ein Angebot unterbreiten, mit dem Sie meine Arbeit entweder separat für die Internetveröffentlichung honorieren. Oder Sie bieten mir ein deutlich höheres Honorar für die Veröffentlichung in Print an, und schließen damit die Onlineveröffentlichung ein – bei einem Zeilenhonorar von 2,10 Euro kommen wir in den Bereich, in dem ich Ihren Vertrag unterschreiben würde. Das ist allerdings die absolute Untergrenze.

Ich habe Frau xxx und Herrn xxx als meine bisherigen Ansprechpartner ins CC genommen, weil ich möchte, dass Sie wissen, warum ich für weitere Aufträge vorerst nicht mehr zur Verfügung stehe. Über ein Angebot aus Ihrem Haus, das meine Leistungen angemessen würdigt, würde ich mehr sehr freuen.

Ich bin sehr gespannt, ob ich eine Antwort darauf bekommen werde – und was deren Inhalt sein wird.

Update: Und da ist sie auch schon:

Liebe Frau Blass,
besten Dank für Ihre offene Mail, ich will ebenso offen antworten. Ein Zeilensatz von 2,10 Euro ist sehr deutlich von dem entfernt, was in unserem Hause üblich ist – übrigens quer durch alle Redaktionen. Ich verstehe Ihre Zwänge, unter den von Ihnen genannten Umständen sehe ich aber keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit.

Ein Vertrag, den ich nicht unterschreibe
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6 Kommentare zu „Ein Vertrag, den ich nicht unterschreibe

  • August 1, 2014 um 2:16 pm Uhr
    Permalink

    Bravo. Ich bin zwar seit langem nicht mehr als Freie tätig, sondern beauftrage diese mittlerweile selbst.
    Aber ich habe in der Vergangenheit ebenfalls immer mit Verlagen zu tun gehabt, deren Zeilenhonorare keinen Vollerwerbs-Journalismus zuließen.
    Und deshalb spreche ich jedem Mut zu, sich gegen allzu knappe Honorare zu wehren.
    Den Aspekt der Online-Verwertung kann ich nur unterstreichen. Mehr Nutzung = mehr Honorar.

    Antworten
  • August 3, 2014 um 12:13 pm Uhr
    Permalink

    Recht so. Auch wenn es manchmal schwer fällt, als Freiberufler auf Brosamen zu verzichten, wenn sie in andere Hinsicht vielleicht hilfreich wären.
    (Und ich habe gerade auch so meine Erfahrungen mit Honarangeboten gemacht – nur wer davon nicht leben muss, kann auf so etwas eingehen…)

    Antworten
    • August 4, 2014 um 7:50 am Uhr
      Permalink

      Ich hatte diese Diskussion auch mit meinen Studenten. Ja, man muss es sich leisten können, Nein zu sagen. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass man in der Zeit, in der man einen schlecht-bezahlten Auftrag bearbeitet, keinen gut-bezahlten mehr annehmen kann. Und in der Zeit kann man auch nicht nach gut-zahlenden Kunden suchen. Beides ist ein Grund, warum ich für diesen Kunden die letzten zwei Jahre immer nur dann gearbeitet habe, wenn ich wirklich überhaupt nichts Besseres zu tun hatte. Und jetzt arbeite ich eben gar nicht mehr für ihn. Auch in Ordnung.

      Antworten
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