Es gibt Menschen, die begleiten einem beruflich lange, sehr lange. Herr M. ist einer von ihnen. Mein erstes Hintergrundgespräch mit ihm hatte ich vor wahrscheinlich 20 Jahren. Damals also, als ich anfing, hauptberuflich als Journalistin zu arbeiten. Herr M. war damals aus meiner Sicht alt, sehr alt. Ungefähr so alt, wie ich heute bin. Wenn ich ihn die letzten Male kontaktiert habe, dachte ich immer schon: Ob er wohl noch da ist? Er müsste doch bald in Rente gehen.
Diese Woche telefonierte ich wieder einmal mit ihm, er erzählte, dass er nächste Woche Urlaub hat. Und irgendwie kam das Gespräch auf den Punkt Rentenbeginn. Ich weiß nicht wie.
Er: Die jungen Leute sagen immer, sie freuen sich auf den Zeitpunkt, weil dann das richtige Leben beginnt. Ich kann das gar nicht verstehen. Für mich geht vor allem etwas zu Ende.
Ich: Ich kann das zumindest ansatzweise nachvollziehen.
Er: Ich verstehe nicht, warum ich nicht mehr arbeiten soll, nur weil ich das festgelegte Renteneintrittsalter erreicht habe. Können Sie sich vorstellen, irgendwann nicht mehr als Journalistin zu arbeiten?
Ich: Als Freiberuflerin ist das ein bisschen schwierig. Wann hört man wirklich auf zu arbeiten? Und überhaupt: Wenn man sich über das Schreiben definiert, schreibt man wahrscheinlich auch weiter. Selbst wenn dieses gewisse Alter erreicht ist. Ist es dann noch Arbeit?
Er: Sehen Sie! Genau das meine ich!
Ich: Meine größere Sorge dabei ist allerdings, dass in 20 Jahren niemand mehr Texte liest. Was mache ich dann?
Er: Das kann natürlich auch passieren. Trotzdem will ich nicht mit meiner Arbeit aufhören.
Ich: Kommt darauf an. Mein Opa liebte seinen Garten. Mit dem ersten Tag seines Rentenbeginns verbrachte er jeden trockenen Tag im Garten – und er liebte das.
Er: Mein Schreibtisch ist mein Garten!
Rente: Und wie sieht’s mit der Altersvorsorge aus?
Mich hat das Gespräch ein bisschen sentimental gemacht. Wir kamen dann noch auf die Altersvorsorge zu sprechen. Er bemängelte, dass so viele junge Leute Freiberufler seien, die nichts zurücklegen. Ich sagte, dass man mit 20 wahrscheinlich einfach nicht soweit denkt. Er meinte, dass da in Zukunft eine große Welle der Altersarmut auf uns zurollen werde. Ich bestätigte, dass ich seiner Meinung bin, sagte aber, dass auch in meinem Bekanntenkreis nicht besonders viele Leute fürs Alter etwas ansparten.
„Wie machen Sie das denn?“, fragte er mich dann ganz direkt. „Sie zahlen doch auch ins Presseversorgungswerk ein, oder?“ – „Ja“, sagte ich. „Aber Herr M., ich bin Verbraucherjournalistin und wahrscheinlich deswegen abgesichert wie aus dem Bilderbuch. Ich lege jeden Monat Geld zurück. Davon abgesehen bin ich über die KSK ja gesetzlich rentenversichert. Die eigentliche Frage ist, ob von diesen Anlagen in 20 Jahren noch etwas da sein wird.“
Wir einigten uns darauf, dass wir die Probleme der Welt nicht lösen werden können. Und begannen dann mit unserem eigentlichen Gespräch. Das hatte mit Altersvorsorge allerdings gar nichts zu tun.