
Es war 2004, als Hiddenhausen in Ostwestfalen-Lippe eine erschreckende Bevölkerungsprognose bekam: Die Zahl der 50- bis 70-Jährigen sollte in den kommenden Jahren steigen, die der jüngeren Bewohner stagnieren oder schrumpfen. Die Folgen für eine Gemeinde mit rund 20.000 Einwohnern: Das Leben vor Ort stirbt langsam aber sicher. Dann wird der ÖPNV ausgedünnt, öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder oder Bibliotheken schließen. „Es war also Zeit zu handeln“, erzählt Andreas Homburg, Amtsleiter Gemeindeentwicklung und Wirtschaftsförderer der Gemeinde Hiddenhausen. Darum machte man eine Erhebung: Wie viele Alte und Rentner gibt es? Wie viele Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter? Wie viele Immobilien würden künftig leer stehen?
Wohnen, leben, arbeiten – alles wichtig!
Für die Dörfer Alt-Hiddenhausen, Lippinghausen, Eilshausen, Schweicheln, Oetinghausen und Sundern kam man auf fast 750 bis zum Jahr 2015. Deutlich zu viele, beschloss man. Und setzte sich mit Immobilienmaklern, Baufinanzierern, Stadtplanern und Architekten an einen Tisch. Ihnen stellte man ein Programm vor: Jung kauft Alt. Dabei geht es darum, dass keine Neubaugebiete mehr ausgewiesen werden. Junge Familien können sich stattdessen für das Altbauförderprogramm melden. Die Idee kam gut an. Und so startete das Programm 2007 – zunächst auf Probe, sagt Andreas Homburg. „Schließlich wusste keiner, wie viele junge Familien kommen würden: keine? Oder sehr viele?“
Heute, acht Jahre später, läuft das Programm noch immer – und zwar erfolgreich: 370 Objekte hat man bisher gefördert. In den betreffenden Häusern wohnen 419 Kinder, davon sind 80 Neugeborene. In jedem Ortsteil gibt es Kindergärten, die Schulen sind für die nächsten Jahre gesichert. Die Dorfplätze hat man verschönt und Landesstraßen zurückgebaut zu Dorfstraßen. Es gibt ein aktives Vereinsleben und Einkaufsmöglichkeiten in Hiddenhausen.
Und weil man dort auch weiß, dass günstige Immobilien alleine nicht ausreichen, um junge Familien zu gewinnen, hat man auch auf andere Art vorgesorgt: In Hiddenhausen gibt es nämlich kein Gewerbegebiet – wohl aber in der Nachbargemeinde. So hat man ein interkommunales Gewerbegebiet geschaffen, in dem Hiddenhausen eine Art stiller Teilhaber ist: „Wir teilen uns die Kosten“, sagt Homburg. Auf diesem Weg sei es bereits gelungen, neue Betriebe anzusiedeln und somit weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Trotzdem: „Wir schrumpfen noch“, sagt Homburg, „die Sterberate ist höher als die Geburtenrate“. Aber immerhin konnte man den Schrumpfungsprozess aufhalten und verlangsamen.
Geringere Schrumpfung dank Altbauförderprogramm

Jung kauft Alt wird es auch weiterhin geben – schließlich stehen noch immer Häuser leer und man hat kein Neubaugebiet mehr ausgewiesen. Zwar habe man in den vergangenen Wochen auch Flüchtlinge in leerstehenden Häusern untergebracht. „Aber wir sind hier 20.000 Einwohner, wir haben 200 Flüchtlinge. Sie machen also ein Prozent der Bevölkerung aus. Dadurch verjüngt sich unsere Gemeinde nicht so deutlich, wie viele meinen“, erklärt Andreas Homburg. Darum gibt es das Altbauförderprogramm weiter: Junge Familien, die sich für einen Altbau in Hiddenhausen interessieren, bekommen einen Zuschuss zum Altbaugutachten. „Nur so können sie wissen, welche Renovierungskosten auf sie zukommen werden“, erklärt Homburg. Zusätzlich gibt es eine Erwerbsförderung für die Häuser, die älter als 25 Jahre sind. Sie liegt bei mindestens 600 Euro pro Jahr, maximal 9.000 Euro in sechs Jahren. Dieses Programm wurde übrigens schon mehrfach kopiert, unter anderem von der Gemeinde Wulften in Niedersachsen.