… weißt Du, eigentlich finde ich das ganz ok mit den Steuern und so. Ich lebe schließlich gerne in Deutschland. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann warst Du auch noch nie gemein zu mir, wir hatten eigentlich immer ein gutes Verhältnis. Aber, liebes Finanzamt, jetzt will doch einmal eine kleine Kritik üben.
Sicher: Es war mein Fehler. Irgendwie aber auch nicht. Du weißt ja, liebes Finanzamt, dass ich meine Steuererklärung über Elster abgeben muss. Das willst Du so. Und in der Gebrauchsanweisung zu meiner Steuersoftware steht, dass eine alte Version von einer neueren überschrieben wird. Darum habe ich am Sonntagnachmittag, etwa 30 Minuten nachdem ich einen Fehler bemerkt hatte, eine zweite, korrigierte Version über Elster an Dich nachgeschoben.
Irgendwie hast Du aber trotzdem beide Versionen bekommen, liebes Finanzamt. Ist ja nett, dass Du nachfragst, welche Version Du denn bitte nehmen sollst. Toll! Aber kannst Du das nicht elektronisch machen? Immerhin willst Du meine Steuererklärung auch auf digitalem Weg bekommen. Du stattdessen schreibst Du mir einen Brief. Der braucht drei Tage bis er mich erreicht. Du musstest dazu ein Blatt Papier nutzen, den Brief drucken, falten, eintüten in ein Kuvert und auch noch Porto zahlen. Übrigens alles von meinen Steuergeldern!
Ich habe gedacht, liebes Finanzamt, ich könnte das unbürokratisch regeln. Also rief ich Dich um halb neun morgens an. Es war besetzt. Beim zweiten Anruf hat mir Deine elektronische Vertretung zugerufen:“Herzlich willkommen bei Ihrem Finanzamt. Aufgrund eines hohen Gesprächaufkommens kann Ihr Anruf nicht entgegengenommen werden. Bitte rufen Sie später nochmals an!“. Ich habe es dann noch fünf Mal an diesem Tag versucht. Aber Du hattest nie Zeit für mich. Hättest Du mir Deine Mailadresse verraten, hätten wir das Problem schnell vom Tisch gehabt. Auch wenn Du mit mir über Elster kommuniziert hättest, wären wir schnell zu einer Lösung gekommen.
Stattdessen, liebes Finanzamt, habe ich am nächsten Morgen wieder versucht, Dich telefonisch zu erreichen. Erst hattest Du keine Zeit, dann war besetzt, dann spieltest Du mir Jazz vor und batest mich, ein bisschen zu warten. Zwei Minuten später meldete sich eine nette Dame. Das war aber nicht die, die den Brief von Dir unterschrieben hatte. Und auch nicht die, deren Nummer ich angerufen hatte. Aber liebes Finanzamt, sie sagte, sie bräuchte meine Antwort schriftlich. Also habe auch ich einen Brief geschrieben, ausgedruckt, gefaltet, in ein Kuvert gesteckt, frankiert und zur Post getragen. Ein Brief, in dem genau ein Satz steht. Weißt Du, liebes Finanzamt, eGovernment und Bürgernähe – darunter hatte ich mir ganz ehrlich etwas anderes vorgestellt. Meinst Du, Du könntest Dich da in den nächsten Monaten vielleicht ein bisschen ändern? Das wär’ echt knuffig von Dir!