Der Kugelschreiber schreibt. Und zwar gut. Die erste Grundvoraussetzung für einen Schreibworkshop ist also gegeben. Nicht dass ich keinen Stift bei mir hätte, aber ich freue mich immer über neue Stifte. Solange sie denn gut schreiben. Tatsächlich ist das bei diesem Bloggerworkshop besonders wichtig, denn er wird sich im Nachhinein auch als besonders produktiv herausstellen. Heißt: Ich werde am Ende viele Seiten in meinem Notizbuch beschrieben haben, und das mit Inhalten, über die ich mich selbst wundere.
Whiskey, Schreibworkshop und Poetry Slam – was soll das werden?
Dabei war ich durchaus skeptisch, als die Einladung von Hopf Strategie aus Berlin kam. Dort macht man PR für die irische Whiskey-Marke Tullamore D.E.W. Und ich fragte mich natürlich zunächst, wieviel Werbeveranstaltung in einem entsprechenden Schreibworkshop stecken würde, und was überhaupt Whiskey mit Schreiben zu tun hat. Trotzdem war ich zu neugierig, um das Angebot abzulehnen: Ein Art Weiterbildung mit dem Poetry-Slammer Florian Cieslik, das Ganze für umme, und dann auch noch bei mir in der Nähe? Ich wäre dumm, wenn ich es mir nicht angeschaut hätte.
Mit Poetry Slam Übungen geht’s ans Eingemachte
Dass meine Erwartungen deutlich übertroffen werden sollten, damit hatte ich allerdings nicht gerechnet. Wir fingen mit Sprechdurchfall an. Dabei laufen die Teilnehmer durch den Raum, und erzählen sich selbst, was sie seit dem Morgen gemacht habe. Am Anfang kamen die Worte eher stockend, aber dann floss es aus mir heraus, und ich bemerkte, wie mein Geist sich lockerte. Dann stellten wir uns gegenseitig vor – natürlich ohne uns zu kennen. Meine Erkenntnis: ich sollte an meinem Äußeren arbeiten. Meine Nachbarin unterstellt mir, Veganerin und Mutter von drei Kindern zu sein, die am liebsten in der Natur ist und als größtes Abenteuer in ihrem Leben einen Surf-Workshop besucht hat. Holy Shit!
Bei der nächsten Übung geht es darum, Sinn zu zerstören, um Platz für Neues zu schaffen. Eine Paarübung, bei der mein Nachbar David und ich abwechselnd je ein Wort zu Papier bringen müssen. Das Ergebnis ist schon recht nah am Irrsinn:
Gestern habe ich ein Eis gemacht. Dann bin ich ins Kaffeehaus gefahren. In Köln-Bocklemünd finde ich ein riesiges Haus, das keine Fenster hat. War das richtig spannend, mysteriös oder einfach nur prüde? Ich bekomme Lachanfälle, welche nicht zu lang sind. Du, ich oder die anderen schreien lächerlich – aber das ist durchaus schön.
Jetzt geht richtig die Post ab. Wir sollen Haikus schreiben. WTF? Das ist eine japanische Gedichtform, in der die erste Zeile fünf Silben hat, die zweite sieben und die dritte wieder fünf. Thema: Vielfalt.
Mein Tipp: Probiert das doch einmal aus, bevor Ihr weiterlest.
Ich habe gleich zwei geschrieben:
Fulda ist barock
Kirchen, Klöster, Bonifatius
Vielfalt ist nicht da
Und:
Vielfalt rockt in Köln
Grauer Himmel, Dom und Rhein
Oft darf‘s bunter sein
Poetry Slam Übung: Lass doch mal die Verben weg
Ich merke, dass ich Spaß daran finde, einmal andere Texte zu schreiben. Ich sehe, was mit Sprache möglich ist – jenseits der typischen Artikel, die mein Alltag sind. Und so mache ich mich mit großer Freude an die nächste Übung. Raus aus den Verben! Schreibe einen Text komplett ohne Tu-Wörter.
Auch hier lautet mein Tipp: Macht das doch mal, bevor Ihr mein Ergebnis lest!
Und hier isses:
Ich so in Fulda: Klöster, Kirchen, Stadtschloss. Schön. Stadtbesichtigung Pflicht! Pompöse Altstadt, mit Segway durch Menschenmassen. Vorsicht! Autos, Kinder, Fahrrad. Fahrer. Stress! Wo eigentlich Erholung besser.
Poetry Slam Workshop? Ja, bitte!
Am Ende des Workshops, nach insgesamt vier Stunden lustvoller Arbeit und einer halbstündigen Pause mit Essen und einem Glas Whiskey-Ginger Ale, habe ich zusätzlich einen langen Text geschrieben. Auch darin geht es um Vielfalt. Es geht um Parteien und Algorithmen. Und ich bin über das Ergebnis mehr als erstaunt. Nicht, weil ich einen langen Text zu Papier gebracht habe, sondern weil ich nicht wusste, welche Gedanken sich zu diesem Thema durch mein Hirn schlängeln. Ich bin begeistert. Und mein inniger Rat an Euch lautet: Wenn Ihr die Möglichkeit habt, an einem Seminar mit Florian Cieslik teilzunehmen, macht es bitte. Es ist toll.
Das war aber gar nicht die wichtigste Erkenntnis des Tages. Die kam aus einer ganz anderen Ecke. Ich hatte nämlich eigentlich überhaupt keine Zeit, zum Workshop zu gehen. Mein Schreibtisch brennt seit Wochen, von einer 40-Stunden-Woche kann ich nur träumen. Und dann auch noch aus purer Lust zu einem Schreibworkshop gehen. Ist das sinnvoll? Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Das sich nach der zweiten Übung einfach in Luft aufgelöst hatte. Ich ging beschwingt nach Hause. Ich setzte mich um 19.30 Uhr für weitere vier Stunden an den Schreibtisch. Noch immer beschwingt, gut gelaunt und geistig komplett entspannt. Und ich nehme mit: Es ist sehr viel dran an dem Spruch: „Wenn du es eilig hast, geh‘ langsam!“. Mach auch ab und zu eine Pause. Danach läuft alles besser.
Übrigens habe ich auf Fit für Journalismus schon einmal über Schreibblockaden geschrieben.
Und warum hat Tullamore jetzt diesen Workshop gesponsert?
Die Begründung ist nicht schlecht: Weil aus Irland nicht nur guter Whiskey, sondern auch gute Literatur kommt. Und weil beim Poetry Slam traditionellerweise eine Flasche Whiskey dem Gewinner geschenkt wird, wie Florian Cieslik erklärt.
Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Der Workshop war für die Teilnehmer kostenlos. Wir beakmen ein Notizheft und einen Stift sowie eine Flasche Whiskey und ein passendes Glas geschenkt. Außerdem wurden wir mit Essen und Getränken versorgt. Ich bekam außerdem von James Joyce „Ulysses“ als Hardcover-Ausgabe. Ein zusätzliches Honorar habe ich abgelehnt, weil mir das unangemessen erschien.
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