Schon wieder ein Buch über Digitalisierung und Privatsphäre. Dieses hebt sich aber schon durch sein Äußeres ab: Es ist rundum rot – also auch die Seitenkanten sind rot. Der Titel des Buches von Steffan Heuer aus dem Murmann-Verlag: Mich kriegt Ihr nicht. (Werbe-Link zu Amazon) Die Seiten sind für meinen Geschmack ein bisschen zu erschlagend mit Inhalten gefüllt, die Einführung ist recht theoretisch und zahlenlastig – aber durchaus interessant. Wenn sich jemand noch nicht mit dem Thema beschäftigt hat, ist es bestimmt ein guter Einstieg. Ich überfliege ihn eher.
Datenschutz und Hate Speech: Es ist komplex
Nicht, ohne zwischendurch einmal nachzudenken: Der Autor schreibt, man solle im Internet trotz des Aufrus der sozialen Medien nicht seinen Klarnamen benutzen. Das halte ich, obwohl ich Datenschutz befürworte, für falsch. Meiner Meinung nach haben Hate Speech und Fake News nämlich genau darum so zugenommen, weil sich Menschen hinter falschen Profilbildern und -namen verstecken können. Weil sie zu feige sind, öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen. Fake Namen führen auch dazu, dass Profile oftmals als entmenschlicht wahrgenommen werden. Dann wiederum lässt sich natürlich gut darauf eindreschen. Aber: In diesem Buch geht es eben um Datenschutz, nicht um Hate Speech. Und es ist ein schönes Beispiel dafür, wie komplex unsere Welt geworden ist.
Mich kriegt Ihr nicht: Small Data wird zu Big Data
In der Zwischenzeit sollte eigentlich jedem klar sein, dass wir alle etwas zu verbergen haben. Spätestens wenn es um die Veröffentlichung von Videos der letzten heißen Nacht geht, oder um allen zugänglichen Kontobewegungen, kommen auch die Arglosesten ins Grübeln. Tatsächlich kann aber bei konsequenter Datenweitergabe genau davon ein Bild entstehen. Dann nämlich, wenn Kreditkartendaten mit Paypal-Daten und Orts-Daten zusammenkommen. Oder dann, wenn Posts mit Fotos und Ortsdaten gemischt werden – und vielleicht auch noch eine Cloud gehackt wird. So wird aus vielen kleinen Datenschnipseln eben ein großes Bild: Big Data.
Ganz schön bitter, denn tatsächlich können diese vielen Daten für uns sehr wertvoll sein – oder ein großer Wertverlust. Zum Beispiel, wenn man aufgrund seiner Daten keinen Kredit oder keine Versicherung mehr bekommt. Den Plattformen selbst, die unsere Daten sammeln, sind diese Daten jedoch erstaunlich wenig wert. Je nach Berechnungsart, so heißt es im Buch „Mich kriegt Ihr nicht“ liegt dieser Wert zwischen einem Cent und einer dreistelligen Summe in US-Dollar. Interessant in diesem Zusammenhang, was in Kapitel 5 „Kommunikation: mein Name gehört mir“ geschrieben steht: Wenn Datensätze gestohlen werden, beträgt der Schaden in Deutschland gerade einmal 188 Euro pro Satz. Für den Einzelnen wird der damit oft verbundene Identitätsdiebstahl dagegen sehr viel teurer, sehr viel nervenzerreibender und zeitaufwändiger.
In der digitalen Welt zuhause
Wo man übrigens sehr schnell auf die Vorteile von Datenschutz stößt, ist in der Arbeitswelt. Zwar weiß eigentlich jeder, dass man besser nicht allzuviel über sich posten sollte, wenn man einen neuen Job sucht. Was aber neu ist: Früher haben sich Menschen aus der Personalabteilung unsere Feeds angesehen. Heute übernehmen Computer mit mehr oder weniger kluger Software diese Rolle. Sie können einen Feed in den sozialen Medien viel schneller komplett dursuchen, können Inhalte analysieren und Muster feststellen. So kann es dann eben doch recht schnell gehen, dass man aufgrund seiner politischen Einstellung, Sexualität, Religion oder was auch immer nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird. Den echten Grund dafür nachzuweisen, ist jedoch sehr schwierig.
Neben der Arbeitswelt geht es in „Mich kriegt Ihr nicht“ auch um die Themen Konsum, Körper, Smartphone, die Zukunft – und das Sterben. Ich fand jedes einzelne der 13 Kapitel interessant, auch wenn ich schon viel weiß zu diesem Thema. Beim Thema Tod gab es aber auch für mich einen neuen Gedankenanstoß: Auf den Servern dieser Welt liegen so viele Bilder von mir, Texte, Kommentare – für einen Techie wäre es sicherlich möglich, mich digital wiederauferstehen zu lassen. Als Avatar oder ziemlich echt aussehend, sprechend oder mit Sprechblasen versehen. Die Frage ist: Will ich das? Und meine klare Meinung dazu ist: Nein. Wenn ich weg bin, bin ich weg. Und dann will ich auch, dass meine Blogs und Onlinekonten gelöscht werden. Aber genau solche Dinge muss man eben regeln, bevor es irgendwann zu spät ist.
Gute Tipps in Mich kriegt Ihr nicht
Es lohnt sich übrigens, das Buch sorgsam zu lesen und nicht nur zu überfliegen. Denn gute Tipps sind nicht nur in einem Kapitel am Ende zusammengefasst, sondern auch immer wieder im Buch verstreut. Zum Beispiel ist für mich neu die Möglichkeit, im iPhone die Ad-ID ab und zu zurückzusetzen, um das Datensammeln für Werbetreibende ein bisschen schwieriger zu machen. Du hast auch ein iPhone? Gehe in Einstellungen > Datenschutz > ganz unten auf „Werbung“ und dann „Ad-ID zurücksetzen“.
Ein anderer Tipp: Versucht mal Reisen oder Hotelzimmer mit Tor zu buchen. Dadurch bin ich als Französin durchgegangen und habe in Münster zwei Hotels 10 Euro billiger angeboten bekommen, als wenn ich als Deutsche über Safari buchen möchte. Natürlich kann man sagen, dass 10 Euro nicht viel sind. Aber dafür bekomme ich am Abend schon den Cocktail an der Hotelbar zusätzlich. Oder ein kleines Frühstück beim Bäcker.
Mein Fazit: Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen!
Der Murmann Verlag hat mir das Buch kostenlos zur Rezension überlassen.
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