Ich staune nicht schlecht: Die schmächtige, schüchterne Frau, die ich bei einer Bloggerveranstaltung von Temma treffe, hat 21.500 Follower bei Instagram. Wir sitzen nebeneinander am Tisch und unterhalten uns darüber, was wir machen. Sie bloggt und instagramt. Ich mache auf vielen Kanälen ein bisschen was. Und bin mit meinen 537 Followern bei Instagram ein ungefähr staubkorngroßer Influencer. „Wie viele Follower hast du gekauft?“, frage ich sie. Sie schaut mich einige Sekunden ausdruckslos an. Dann: „Erst 5000. Und als es dann noch nicht lief, habe ich nochmals 5000 gekauft.“. Ich sage nichts dazu, kann mir aber gut vorstellen, dass 10.000 Follower eine gute Ausgangsgröße ist, um wahrgenommen zu werden und dem Algorithmus eins auszuwischen.
Wie das mit dem Kauf funktioniert
Nach diesem Treffen setze ich mich näher mit meinem Instagram-Account auseinander. Ich will wissen, wer von den Instagramern, denen ich folge, mir nicht folgt. Es gibt viele Apps, die diesen Einblick versprechen. Eine App finde ich, die noch ganz andere Sachen im Angebot hat. Likes nämlich. Und Follower. Gegen Geld. Oder gegen eigene Likes. Gebe ich mein Herzchen für ein mehr oder weniger hässliches Bild, bekomme ich eine virtuelle Währung, die ich gegen Likes für meine Bilder einsetzen kann. Oder ich zahle eben 230 Euro und bekomme 8000 Follower. Für den Fall, dass mich einer in der Zeit darauf entfolgt, werde ich entschädigt, was kann man damit also schon falsch machen? Für mich ist das trotzdem nichts, ich lösche die App. Schließlich lande ich als Apple-Nutzer durch einen Tipp von Wolfgang Käseler von Groovy Planet bei Followers.
Welche Alternative es zum Kauf gibt
Glücklicherweise können die Followerzahlen aber auch organisch wachsen, also ohne dass man Fake-Follower kauft. Neulich war eine Freundin bei mir, die für ihr Hostel einen Account hat, und sie fragte mich, was sie tun könne, um ihn bekannter zu machen. Ich gab ihr einige Tipps, traf sie zwei Wochen später wieder – und sie hatte durch meine Tipps 300 Follower mehr. Da fragte ich mich, wie blöd ich eigentlich bin, dass ich meine Tipps in meinem eigenen Instagram-Account nicht selbst umsetze. Jetzt mache ich das ziemlich regelmäßig: Bild posten, 10 bis 30 passende Hashtags unter einen kurzen Text setzen.
Danach Bilder liken, die mir gefallen und eventuell zu den gesetzten Hashtags passen. Und jeden Tag einige Accounts aussuchen, denen ich langfristig folgen möchte. Ergebnis: In relativ kurzer Zeit + 200 Follower. Geht doch. Langsam, aber stetig. Und ok: Bis ich fünfstellig bin, wird es Instagram wahrscheinlich nicht mehr geben. Oder es wird an Relevanz verloren haben.
Warum fünfstellige Followersummen nicht unbedingt erstrebenswert sind
Für mich ist das nicht so schlimm, ich muss keine fünfstelligen Followerzahlen haben. Nicht so lange ich von meinem Lieblingsberuf leben kann: Ich schreibe verbraucherjournalistische Texte und gebe Seminare rund ums Internet. In einem dieser Seminare zum Thema Online publizieren fragte mich neulich eine Teilnehmerin, ob ich etwas zu Instagram sagen könne. Ich erzählte, was ich weiß. Sie fragte, warum man denn überhaupt so viele Follower haben möchte. „Weil man damit Geld verdient“, antwortete ich. Und erzählte, was ich auf der dmexco in diesem Jahr zum Thema gehört hatte: Wer sechsstellige Followerzahlen hat, kann im Monat gut 30 Kooperationen bekommen. Gäbe es für jede Kooperation nur 800 Euro, wäre das monatlich noch immer eine stolze Summe. Glaubt man den Medien, wird aber oft deutlich mehr gezahlt.
Interessante Fakten
Doch jetzt kommt, was ich auf der Online-Marketing-Konferenz in Köln noch viel interessanter fand:
- 87 Prozent der Rezipienten wünschen sich eine Kennzeichnung von bezahlten Posts, hieß bei einem Vortrag von G+J EMS. Passt irgendwie so gar nicht zu einer Frau mit großer Reichweite, die neulich stolz unter einem eindeutigen Bezahlpost schrieb, dass sie grundsätzlich nie kennzeichnet, wenn sie Geld bekommen hat.
- Wer mit Influencern kooperiert, sollte nie auf die reinen Followerzahlen schauen. Wichtiger ist, wie sich diese Zahlen entwickeln, und wie viel Interaktion mit den Posts stattfindet. Keine Interaktion bedeutet sehr wahrscheinlich, dass die Posts nicht wahrgenommen werden.
- Vor allem: Der Instagramer muss zum Produkt passen. Ist das nicht der Fall, sieht man plötzliche eine laszive, junge, halbnackte und unterernährte Frau, die im Text darauf hinweist, dass ein bekannter Finanzdienstleister Mitarbeiter sucht. Solche erheiternden Beispiele findet man übrigens in Facebook bei Perlen des Influencer-Marketings.
- Ein einziger Post hilft gar nicht, um die eigene Marke zu transportieren, hieß es im Vortrag „Influencer Marketing muss sich neu erfinden“. Es müssen schon mehrere sein, damit sich die Marke einprägt. Leuchtet mir ein. Es würde ja auch keine Firma einen einmaligen Werbespot im Fernsehen schalten.
- Instagramer, die sehr viele Follower und damit oft sehr viele Kooperationen haben, wirken nicht mehr glaubwürdig, hieß es dort weiter. Es bestehe keine persönliche Bindung zu den Followern, sondern Inhalte werden nach dem Gießkannenprinzip gestreut, also genau so wie in den klassischen Medien. Und davon wollte man als Werbetreibender doch eigentlich weg durch das Influencer Marketing.
Tja Bettina,
wie oft verzweifele ich an meiner kleinen Followerzahl, es würde einen erheblich umfangreicheren Einsatz meinerseits erfordern, diese zu steigern. Höher, schneller, weiter in den Medien meist mit Lug und Trug verbunden, hat nichts mehr mit ehrlicher Wahrnehmung zu tun und das finde ich schade.
Danke für einige hilfreichen Informationen zum Thema Instagram, mal sehen ob ich mich disziplinieren kann etwas mehr Einsatz zu zeigen
Liebe Grüße
Elke
Hallo Bettina,
ähnlich wie Elke Bitzer habe ich auch nur eine sehr kleine Followerzahl auf Instagram, auf meinem Blog, ebenso auf FB oder auf Twitter. Seit Kurzem juckt mich das aber nicht mehr.
Ich habe immer wieder mal Versuche gemacht, auf legalem Weg an mehr Follower zu kommen, aber letztendlich habe ich dann doch jedes Mal festgestellt, dass ich mich zu sehr verbiegen muss, um das Ziel zu erreichen.
Ich habe beschlossen, nur noch zu schreiben, egal, wie viele Follower ich habe. Wobei mich auch schon das Wort Follower stört. Da blickt man schnell von oben herab auf die »Folger«. Ich nenne sie dann lieber Freunde wie auf FB, auch wenn es keine echten Freunde sind. Insgesamt bin ich sehr viel zufriedener seit dieser Entscheidung. So kann ich wirklich einfach nur schreiben.
Schöne Grüße
Joachim
Hallo Joachim,
prima, dass du einen Weg für dich gefunden hast.
Meine Kunden sind Verbände, Unternehmen und Organisationen. Bei denen geht es nicht um Freunde, es geht um Follower. Und es geht ums Image, selbst wenn sie manchmal ganz klein sind, und nicht wirklich viel Geld haben, das sie investieren können. Für sie muss ich einfach umsetzbare, legale und ethisch korrekte Tipps kennen. Und sie sind auch die Zielgruppe, die ich vor Augen habe, wenn ich auf Wirtschaft verstehen poste.
Viele Grüße
Okay, das ist natürlich eine andere Ausgangslage. Das kam bei Deinem Post nicht so rüber.
Dann wünsch ich Dir noch viel Erfolg.
Schöne Grüße
Joachim
Danke dir.
Du hast Recht, in dem Post kommt es nicht explizit zum Ausdruck. Aber die Seite in ihrer Gesamtheit spiegelt mein berufliches Treiben … hoffe ich zumindest
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