Was ich an den Haufe Taschenguides mag, ist dass sie recht schnell ein Thema zusammenfassen. Ich muss also kein unendliches Werk lesen, um zu wissen, worum es geht. So beginnt das Buch Künstliche Intelligenz. Entwicklungen, Erfolgsfaktoren und Einsatzmöglichkeiten, (Werbe-Link zu Amazon) das mir der Verlag kostenlos zur Rezension überlassen hat, mit einer Definition: „Er steht für die maschinelle Simulation jedes Aspekts von Lernen und anderen Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz, wie Sprachverständnis, Abstraktion und Entwicklung von Ideen“. Und jetzt stelle ich mir jemanden vor, der keine Ahnung von diesem Thema hat. Der ist doch sofort draußen. Oder finde nur ich eine solche Beschreibung sehr theoretisch?
Das ist nicht die einzige Stelle, die mir aufstößt. Im Klappentext heißt es „Leicht verständliche Antworten auf diese und andere Fragen …“. Ich frage mich, was an einem Satz wie „Eine Blockchain, auch Distributed Ledger genannt, ist eine erweiterte Liste von kryptografisch signierten, nicht widerrufbaren Datensätzen, die in einem Peer-to-Peer-Netzwerk mit allen Teilnehmern geteilt werden“ leicht verständlich sein soll.
Künstliche Intelligenz im Journalismus – nur schwer zu entlarven
Glücklicherweise kenne ich mich ein bisschen mit dem Thema aus und lese trotz vieler solcher Sätze weiter: „Wenn der Fragesteller nicht klar sagen kann, welcher von beiden die Maschine ist, hat die Maschine den Turing Test bestanden. Bis heute hat das keine KI-Lösung geschafft“. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Also: jemand schreibt eine Frage und bekommt eine geschriebene Antwort zurück. Anhand der geschriebenen Antwort weiß der Fragende, ob diese von einem Menschen oder einer Maschine kommt. Müssten nicht eigentlich auch Zeitungstexte, die von einem Roboter kommen, dann als solche erkannt werden? Falls ja, stimmt die Aussage im Buch so nicht. Denn ich habe schon mehrfach Texte von Robotern gesehen und konnte sie nicht klar zuordnen. Geht es dabei eher um die konkrete Antwort auf eine konkrete Frage, mag das im Buch Geschriebene zutreffen.
Chatbots können ganz schlau sein
Im Buch geht es um den Chatbot ELIZA, dem man eine Frage stellen kann. Zwar wird darauf hingewiesen, dass er auf deutsch nicht so viel wie in seiner Heimatsprache kann. Tatsächlich bin ich aber sogar ziemlich entsetzt über seine Fähigkeiten, denn schon nach meiner dritten Eingabe verstehen wir uns überhaupt nicht mehr und reden aneinander vorbei. Ganz schnell kommt so eine unnötige und unverständliche Unterhaltung auf. Ich klicke darum auf den Chatbot Sina, vielleicht bekomme ich mit diesem Chatbot wenigstens den versprochenen Spaß, wenn mir Eliza schon nicht helfen kann. Aber der Chat mit Sina ist nur dummes Geschwätz. Aus meiner Erfahrung als Verbraucherjournalistin kenne ich da einen deutlich besseren Chatbot: Linda von der Sparkasse KölnBonn beispielsweise kann viel mehr.
Was ich Neues über Künstliche Intelligenz im Buch erfahren habe
Wie es aber immer ist: Es ist nicht alles schlecht, auch nicht in diesem Buch. Ich habe zwei neue Dinge erfahren, und ich finde auch das ein oder andere ganz gut:
- Spannend finde ich, dass mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Blockchain-Technologie in China Versicherungsfälle in Sekundenschnelle geprüft und direkt ausgezahlt werden. Das ist beeindruckend. Allerdings wüsste ich hier gerne, wie genau das funktioniert und was da geprüft wird.
- Sehr gefreut hat mich, dass Deepl, ein Übersetzungstool, das besser sein soll als viele Konkurrenzangebote, aus Köln kommt. Tatsächlich hat mir auch ein Kollege auf der Republica Deepl empfohlen. Deepl hieß früher übrigens Linguee, und diese Software habe ich 2018 für ein Projekt häufig benutzt. Merkwürdig finde ich allerdings, dass man von Linguee nicht automatisch auf Deepl weitergeleitet wird.
Was mir an dem Buch gefällt
- QR-Codes zu Videos oder Internetseiten ermöglichen es, schnell Beispiele anzuhören oder anzusehen
- Mir gefällt auch, dass Branchen vorgestellt werden, die KI nutzen, die nicht dem entsprechen, was man immer hört. Also statt nur Marketing, Banken und Versicherungen geht es auch um Aufzug- und Dufthersteller.
Was mir an dem Buch nicht gefällt
Trotzdem muss ich leider sagen, dass die Liste der Dinge, die mich stören, mindestens genau so lang ist:
- Das Buch ist trocken und wissenschaftlich geschrieben.
- Der Bezug zu Wissenschaftlern oder Buchquellen wird in Klammern angegeben. Klammern sind üblicherweise ein Lesehindernis. Man könnte eine Quelle auch angeben, indem man die Klammer auflöst und die Quelle im Fließtext nennt. Das würde das Büchlein auch weniger wissenschaftlich machen.
- Ich hatte mir erhofft, zu erfahren, was die neue Technologie ganz konkret für mein Alltagsleben bedeutet. Da ist leider nicht viel hängengeblieben. Es fehlen anschauliche Beispiele. Geht es um das Internet of Things, könnte man ja statt „Haustechnik: Beleuchtung“ auch erklären, dass eine Stehlampe an eine vernetzte Steckdose angeschlossen werden kann, die es bei Amazon für wenig Geld gibt. Und dass man diese Stehlampe dann durch einen Sprachbefehl oder per Handy an- und ausschalten kann. Und dass das ein großer Vorteil für Menschen sein kann, die nicht mehr ganz so beweglich sind beispielsweise.
- Unentschlossen bin ich, was den Leitfaden zur Einführung von KI im Unternehmen anbelangt. Den Endverbraucher wird das vermutlich nicht interessieren. Ob ein Unternehmen, das KI einführen möchte, aber ausgerechnet einen „Taschen Guide“ kaufen würde, um zu erfahren, was es tun muss, halte ich für fraglich.
- Auch das Kapitel „Kritik“ kann ich nicht eindeutig gut oder schlecht finden. Gut ist sicher, dass das Buch überhaupt kritisch mit dem Thema umgeht. Nicht so gut ist, dass es hier genauso theoretisch bleibt wie in den anderen Kapiteln. Sätze wie „Der hohe Nutzen, der durch KI erzielt werden kann, ermöglicht vielfältige Angriffsszenarien. Es gilt , darauf vorbereitet zu sein und dies in den IT-Sicherheitsmaßnahmen zu berücksichtigen“ hinterlassen einen Leser ehrlich gesagt nicht besonders viel schlauer, als er vor der Lektüre des Buches war.
Mein Fazit
Auch darum frage ich mich, welche Zielgruppe die Autorin und der Verlag vor Augen hatten, als sie das Buch machten: Für den Einsteiger enthält es zu wenig konkrete Erklärungen und bleibt an vielen Stellen sehr theoretisch. Der Fortgeschrittene dürfte das Meiste von dem bereits wissen, was im Buch beschrieben wird. Als ernsthaftes Fachbuch ist es durch das Taschen Guide Format zusätzlich nicht zu erkennen. Außerdem überholt sich das Thema ständig selbst, so dass ein Buch über Künstliche Intelligenz vielleicht sowieso eher überflüssig ist. Ein Blog zum Thema mit Bezahlinhalten wäre eventuell sinnvoller. Dort könnte man beispielsweise die Checkliste zur Einführung von KI im Unternehmen gegen Gebühr anbieten – dann allerdings müsste sie etwas mehr Nutzwert beinhalten.
Ungefähr gleichzeitig ist übrigens das Büchlein „Urlaubsfeeling im Büro“ erschienen. Der Titel verspricht zwar aus meiner Sicht etwas anderes als der Inhalt liefert. Dafür ist dieses Buch um ein Vielfaches praxisorientierter als das Produkt zur Künstlichen Intelligenz.
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