Webinare? Für mich ein alter Hut. Die habe ich für den DJV schon gegeben, als Corona noch lange keine Pandemie ausgelöst hatte. Und ich habe vor Jahren schon versucht, mich über MOOCs, weiterzubilden. Versucht, weil ich sie meistens so langweilig fand, dass ich nach kurzer Zeit angefangen habe, nebenher anderes zu machen. Und dann irgendwann bemerkt habe, dass ich vom Inhalt des MOOC nichts mehr mitbekam. Zugegeben: Das passiert mir nicht nur in Online-Meetings, sondern auch sehr oft in analogen Weiterbildungen und Konferenzen.

Im Gegensatz dazu habe ich noch nie eine schlechte Bewertung für ein Webinar bekommen. Umso mehr hat mich Anfang 2020 gewundert, dass ich plötzlich von vielen Seiten hörte, man müsse bei Webinaren seine Seminare anders aufbauen und das sei zeitaufwändiger als bei Präsenzseminaren. Konnte ich bisher nicht feststellen. Ich bereite für alle meine Seminare meine Folien akribisch vor, egal, ob sie im Netz oder im Konferenzraum stattfinden. Aber: Ich bin ja gerne bereit, dazuzulernen. Und darum habe ich mit Freude das Rezensionsangebot von Haufe zum Buch “Online-Meetings, die begeistern (Werbe-Link) von Andrea Heitmann angenommen.

Online-Meetings auf Papier beschrieben

Das Buch ist Hybrid. Es gibt also viele Papierseiten. Und an besonderen Stellen einen AR-Code, den man mit der Haufe-App scannen kann. So wird man gleich zu Beginn in einem Video von der Autorin persönlich begrüßt. Gute Idee. Das Video ist mir persönlich ein bisschen zu viel gespielt begeistert. Aber jeder Jeck es anders.

Mir ist das Video etwas zu klein. Es öffnet sich nach dem Scannen des AR-Codes.
Mir ist das Video etwas zu klein. Es öffnet sich nach dem Scannen des AR-Codes.

Bei den Grundlagen, also in Kapitel 1, frage ich mich, mit welcher Software die Autorin arbeitet, wenn sie Onlinegespräche führt. Wenn ich mich bei einem Webinar unwohl fühle, dann nämlich eben nicht, weil ich in gelangweilte oder abgelenkte Gesichter schaue, sondern weil ich vielmehr üblicherweise in gar keine Gesichter schaue, sobald meine Folien geöffnet sind. 

Das lässt sich eigentlich nur mit einem zweiten Bildschirm umgehen – und dessen Installation hat mich in der Appleinfrastruktur viel Zeit und einige Nerven gekostet. Doch selbst dann könnte es schwierig werden, alle Teilnehmer*innen zu sehen – zumindest, wenn es sehr viele sind. Im Präsenzseminar dagegen hat man seine Leute im Blick, erkennt Gruppendynamiken und müde oder abgelenkte Blicke, so dass man viel schneller darauf reagieren kann. 

Außerdem gibt es Anbieter, die darum bitten, dass die Kamera während des Webinars ausbleibt. Da sieht man dann also höchstens schwarze Kästchen. Für mich ist das der wesentliche Punkt, warum ich Präsenzseminare vorziehe.

Was ich über Online-Meetings aus Erfahrung kenne

Andrea Heitmann hat jedoch auch ganz ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich. Beispielsweise beim Thema Pausen: Sie sind wichtig geworden – aber nicht nur in Onlineseminaren. Es scheint so, als ob sich die Menschen nicht mehr über längere Zeit konzentrieren könnten. Vielleicht sind es auch nur das Handy oder die Smartwatch, die sie ablenken. Auf jeden Fall habe ich mir angewöhnt regelmäßiger Pausen zu machen als früher. Dazu teile ich meine Folien durch vier. In der Hälfte plus/minus gibt es eine längere, jeweils nach einem beziehungsweise drei Viertel plus/minus eine kürzere Pause.

Was mich amüsiert

Nach dem Lesen des Buches bin ich nicht ganz sicher, ob eine Papierausgabe das richtige Medium für Tipps zum Thema Online-Meetings ist. Denn mir scheint, dass die Realität an einigen Stellen den Buchinhalt überholt hat. Möglicherweise liegt es daran, dass mich einige Stellen amüsiert haben:

  • „Sie können dann hinter sich auf dem Flipchart etwas erklären“. Hm. Bei Zoom schließe ich üblicherweise das iPad an und male mit dem Stift darauf. Vorteil: Die Grafik kann dann als PDF ausgespielt und verschickt werden. Bei Go To Meeting gibt es ein Zeichenwerkzeug, um Schaubilder am Bildschirm zu visualisieren, ebenso bei Lifesize.
  • Karten im Vorfeld verschicken, die mit Reaktionen wie „Daumen hoch“ versehen sind. Viele Tools haben diese und andere Reaktionen schon virtuell und per Knopfdruck eingebaut.
  • Auch merkwürdig finde ich den Hinweis, die Folien schon in die Moderatorenansicht zu bringen, bevor man den Bildschirm teilt. Das geht zumindest an meinem Mac und mit der Software, mit der ich üblicherweise arbeiten muss, nicht immer.
  • Die Ausführungen zum Thema Mimik finde ich gut. Allerdings sind die briefmarkengroßen Fotos, die im Buch abgedruckt sind, eher nicht dazu geeignet, die Mimik zu verdeutlichen. Die kann man nämlich leider nur erahnen.
  • Lustig finde ich den Hinweis, in der Technik auf alles vorbereitet zu sein. Was ist alles? Meine Webinare haben mir bisher jede Fülle technischer Probleme beschert, von denen ich im Vorfeld nicht einmal geahnt hätte, dass sie auftreten könnten.

Beispiel 1: Bei einem Zoom-Webinar mit dem iPad als Sidecar reißt plötzlich die Verbindung zum Mac – und lässt sich partout nicht mehr herstellen. Ich höre und sehe die Teilnehmerinnen nicht mehr, sie mich aber schon.

Beispiel 2: Für die nächste Zoomkonferenz habe ich das natürlich nochmals durchgespielt, damit es kein zweites Mal passiert. Zu meinem  Erstaunen sehe ich dieses Mal trotz des zweiten Bildschirms meine Teilnehmerinnen nicht mehr. Hinzu kommt, dass zu Beginn mein Internetanschluss so schlecht ist, dass mich die Teilnehmerinnen auffordern, mich per Handy einzuwählen. Nach etwa sieben Minuten funktionierte er ohne Zutun wieder. Allerdings hatte ich mich bis dahin bereits ein zweites Mal eingewählt und meine Kamera gestoppt. Wir haben wohlgemerkt einen Business Anschluss – den schnellstverfügbaren an unserer Adresse. Und außer mir war zuhause niemand online.

Beispiel 3: Bei einem Zoom-Webinar sind zwei Teilnehrmer*innen aus zwei unterschiedlichen Ländern in der Break out Session verschwunden. Weil ich keine Kontaktdaten hatte und meinen Kunden nicht erreichen konnte, habe ich sie nicht mehr zurückholen können – sie haben sich aber leider auch nicht mehr neu eingeloggt.

Beispiel 4: Bei einem Webinar mit Lifesize geht plötzlich meine Standlampe aus. Sie hat einen Sensor, der dafür sorgt, dass das Licht immer anbleibt, so lange ich mich bewege. Sie ist äußerst zuverlässig und noch nie aus heiterem Himmel ausgegangen. Bei diesem Webinar geht sie regelmäßig aus und lässt sich manuell nur auf eine geringe Helligkeit einstellen. Woran das lag, habe ich nicht herausgefunden. Es ist seither nicht mehr passiert.

Was ich merkwürdig finde

Manche Sachen sehe ich bei den Online-Meetings anders als die Autorin. Sie schreibt beispielsweise, man solle Online-Meetings mit einem Knall, mit einem Hammer beginnen, damit alle gleich konzentriert zuhören. Ehrlich gesagt: das sehe ich anders, und ich glaube auch nicht, dass das immer möglich ist. In meinen Seminaren gibt es einen solchen Höhepunkt gar nicht. Ich vermittle Wissen, das aufeinander aufbaut. Mit dem Ende einzusteigen, wäre nicht ganz sinnvoll, denn das würde im Zweifel niemand verstehen. Außerdem gehe ich davon aus, dass erwachsene Menschen, die sich für ein Webinar angemeldet und dafür Geld gezahlt haben, durchaus in der Lage sind, von Anfang an zuzuhören, ohne dass man sie mit einem Knaller ködern muss.

Ansonsten passt das mit dem Knall natürlich schon – wir kennen es aus TV-Nachrichten. Und auch, dass sich alle 30 Sekunden etwas verändern soll – eventuell durch Animation – damit wir dran bleiben. Ich glaube aber, dass das bei sehr komplexen Themen auch eher ablenkt. Insbesondere, weil bei Webinaren nicht nur ich selbst möglicherweise abgehackt bei den Teilnehmer*innen ankommen kann, sondern auch der Folienauf- und abbau. 

Noch zwei Punkte:

  • Krass finde ich auch, dass alle sieben Minuten die Teilnehmer*innen bei Online-Meetings einbezogen werden sollen. Ich rede ja schon viel mit meinen Teilnehmer*innen, und ich lasse sie auch mehrfach in einem Tagesseminar in Kleingruppen zusammenarbeiten. Aber alle sieben Minuten? Wann soll ich denn da noch mein Wissen vermitteln?
  • Ich finde es auch in der Offline-Welt merkwürdig, wenn Trainer*innen ihre Folien nicht teilen. Ich mache das immer, und zwar vor dem Seminar. Dann können die Teilnehmer*innen die Folien nämlich handschriftlich ergänzen. Meine Folien enthalten nämlich nie den ganzen Inhalt, sie sind oft nicht mehr als eine Merkhilfe mit Kurzzusammenfassung. Alleine darum muss gut zuhören, wer etwas davon mitnehmen möchte. Und: ich erstelle nie eine Agenda. Ich sage den Teilnehmer*innen, was wir machen werden, aber ich zeige es ihnen nicht. Und zwar einfach aus dem Grund, dass ich eine Agenda grundsätzlich erschlagend und außerdem langweilig finde.

Was mir fehlt

Die Autorin hat eine durchaus sinnvolle Checkliste zu den letzten 60 Minuten vor den Online-Meetings geschrieben. Was mir fehlt, ist eine Checkliste, die zwei Tage vor dem Meeting beginnt. Sie könnte beinhalten:

Zwei Tage vor dem Meeting

  • Haben Sie die Handynummer Ihre*r Kund*in oder des/der Ansprechpartner*s für den Fall, dass es technische Probleme gibt?
  • Haben Sie schon den Einwahllink bekommen oder einen Hinweis, wann Sie ihn bekommen werden?
  • Wissen Sie, wann Sie in den digitalen Raum dürfen, um sich dort einzurichten?
  • Haben Sie die Kontaktdaten der Teilnehmer*innen, um sie im Notfall erreichen zu können?

Im Meeting

  • Vergessen Sie nicht, das Mikro stumm zu schalten, wenn Sie sich Wasser nachschenken. Das Geräusch kann sonst wie eine Toilettenspülung klingen.
  • Achten Sie darauf, die Ear-Pods immer zu laden, wenn Sie Pausen machen, beziehungsweise wenn die Teilnehmer*innen praktische Übungen machen.
  • Sie haben eine kabellose Maus? Denken Sie daran, sie regelmäßig zu laden.

Was ich aus dem Buch für Online-Meetings mitnehme

Trotz dieser Punkte nehme ich eine ganze Menge mit aus dem Buch. Zum Beispiel dies:

  • Eigentlich liegt es ja auf der Hand: Ist die Internetverbindung schlecht, ruckelt es. Allerdings habe ich selten bei Videogesprächen Probleme mit dem Bild oder dem Ton meines Gegenüber. Darum habe ich noch nicht so richtig drüber nachgedacht, dass ich bei der anderen Seite vielleicht abgehackter rüberkomme, als ich selbst es sehe. Den Tipp von der Autorin, eher ruhig zu sitzen und weniger mit den Händen zu sprechen, finde ich darum ganz gut. Allerdings habe ich auch festgestellt, dass der bewusste Einsatz der Hände, um Dinge zu unterstreichen, auch im Webinar sinnvoll ist – und wie gesagt: Ich habe bisher immer nur positive Bewertungen bekommen. Trotzdem hat sie sicherlich Recht mit dem Hinweis darauf, dass bei einer langsamen Internetübertragung Hände, die sich zu sehr bewegen, wie Sternschnuppenspuren aussehen können. Daran werde ich mich künftig mehr halten.
  • Interessant finde ich den Punkt, dass Teilnehmer*nnen eventuell auf dem Handy an der Präsentation teilnehmen. Dann sind sie aus meiner Sicht zwar selbst schuld, wenn sie nicht alles auf den Folien lesen und sehen können – aber ich nehme das als Anregung mit.
  • Gut finde ich auch die Idee, virtuell einen Ball weiterzuwerfen, um so die Vorstellungsrunde lockerer zu gestalten. Das funktioniert natürlich auch bei einer Feedbackrunde und ist interaktiver, als, wenn ich als Trainerin alle Namen nennen muss. Allerdings dürfen die Runden dafür nicht zu groß sein. Und nachdem ich diese Methode neulich ausprobiert habe, weiß ich, dass längst nicht alle Teilnehmer*innen Lust haben, virtuell einen Ball zu werfen und zu fangen.
  • Ausnahmslos alle Webinare, die ich bisher gegeben und besucht habe, sind ausgesprochen wertschätzend abgelaufen. Immer waren alle froh, dass speziell während der Coronapandemie Angebote gemacht wurden. Sei es beruflicher Art, eine Online-Wein-Verkostung oder was auch immer angeboten wird. Ich zweifle aber nicht daran, dass es auch negative Chatkommentare gibt. Vermutlich besonders dann, wenn die Gruppe größer und anonymer ist. Die Hinweise zum Umgang damit: Ruhig bleiben, sachlich bleiben, nachfragen finde ich gut. Ganz ehrlich gesagt sind es aber keine anderen als im Präsenzseminar. Trotzdem nehme ich mir vor, diese Punkte nicht zu vergessen.
  • Richtig gut finde ich die Methodensammlung für die Aktivierung der Teilnehmer*innen online. Den Chatstorm beispielsweise werde ich direkt im nächsten Webinar anwenden. Und auch für die Vorstellungsrunden gibt es interessante Möglichkeiten, die für etwas Abwechslung sorgen.
  • Gut finde ich auch den Hinweis zu den Sprechpausen: Sie können bei den Teilnehmer*innen zu Verwirrung führen: Ist die Verbindung abgebrochen? Andrea Heitmann rät dazu, keine Pause zu machen, die länger als drei bis fünf Sekunden sind. Das ist sehr, sehr kurz. Mein Vorsatz: Darauf beim nächsten Webinar achten.

Mein Fazit: Wer noch nie ein Webinar gegeben hat, wird in diesem Buch viele gute Anregungen lesen. Alles in allem gibt es aber viele Punkte, bei denen ich sage: Das unterscheidet sich nicht oder kaum vom Präsenzseminar. Und es gibt einige Stellen, an denen das Buch auf mich veraltet wirkt.

Gelesen: Online-Meetings, die begeistern
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