Als Freiberuflerin habe ich mich schon sehr lange nicht mehr auf eine Festanstellung beworben. Umso spannender finde ich, bei Freund*innen und Kolleg*innen den Bewerbungsprozess zu verfolgen. Nun sind diese ja – nicht nur durch Corona – deutlich digitaler geworden. Da sollte man doch meinen, dass sich das auch in der Geschwindigkeit der Stellenbesetzung niederschlägt.
Leider scheint das eher die Ausnahme zu sein. Und nicht nur das: Trotz digitaler Möglichkeiten scheint oft auch eine zeitnahe Kommunikation mit den Bewerber*innen von vielen Personaler*innen zu viel verlangt zu sein. Das ist besonders dann peinlich, wenn sich die Firmen in den Stellenanzeigen Begriffe wie „Wertschätzung“ oder „Kommunikation auf Augenhöhe“ auf die Fahnen schreiben. Übrigens finde ich auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels geradezu absurd, was ich bei einigen Unternehmen, Organisationen und Institutionen aus der Region Köln/Bonn im vergangenen halben Jahr mitbekommen habe. Den Kopf geschüttelt habe ich beispielsweise, als ich gehört habe, dass es bei einer Organisation für die Besetzung einer Sachbearbeiter*innenstelle ohne entsprechende Vorankündigung eine Videokonferenz mit acht Vertreter*innen gegeben hat. Das ist nicht nur nicht effizient. Es ist auch eher ein Tribunal als ein Vorstellungsgespräch.
Zahlen, Daten, Fakten
Ein Bewerber war in den Jahren 2020/2021 auf der Suche nach einem neuen Job. Auszüge aus seiner Statistik:
- 30 Bewerbungen
- 12 Vorstellungsgespräche
- 8 per Video
- 1 Zusage
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Tage, die ein Unternehmen braucht, um den Bewerbungsprozess abzuschließen: Nach nur drei Tagen kam die Absage eines jungen Kölner Digitalunternehmens. Ich schätze, der Bewerber war zu alt und zu teuer. Satte 152 Tage brauchte dagegen eine Bundesbehörde. Der Durchschnitt lag bei 36,5 Tagen.
Wo der Bewerbungsprozess zum Heulen sind
Besonders traurig finde ich, dass Firmen in einem Vorstellungsgespräch gerne sagen, dass sie sich innerhalb der nächsten zehn oder 14 Tage melden – und sich nur so wenige daran halten. Ein Logistikunternehmen hat immerhin knapp 20 Tage nach dem Vorstellungsgespräch eine Zwischenmeldung geschickt, dass es länger als geplant dauern wird. Die Absage kam dann weitere vier Wochen später. Ein Wohlfahrtsverband liegt derzeit fünf Wochen hinter dem avisierten Melde-Termin. Interessant in diesem Zusammenhang: Es gab ein unangekündigtes Vor-Vorstellungsgespräch. Dabei rief ein Arbeitgebervertreter an, fragte, ob man kurz Zeit habe, und stellte dann 15 Minuten lang Fragen. Danach wurde der Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Und seither wartet er auf eine Antwort.
Was im Bewerbungsprozess so gar nicht geht
Lange Wartezeiten sind das eine. Aber es läuft noch so viel mehr schief in Bewerbungsprozessen. Ganz bitter eine Bundesorganisation im Telefonvorstellungsgespräch: „Wenn Sie bis Dienstag nichts von uns hören, sind Sie draußen“. Hallo? Wertschätzung sieht anders aus. Und ist es denn wirklich im digitalen Zeitalter zu viel verlangt, eine Standardmail per Knopfdruck zu versenden? Eine Einladung zum zweiten Gespräch per Mail könnte ja auch im SPAM-Ordner landen. Diese Bundesbehörde hat überhaupt im Bewerbungsprozess keine gute Figur abgegeben: So wurden die Termine für die Vorstellungsgespräche kommuniziert mit dem Hinweis, dass man keine Möglichkeit bekomme, einen anderen Termin zu wählen. Was, wenn man an diesem Tag eine OP hat? Seinen Vater beerdigt? Oder einfach niemanden findet, der auf die Kinder aufpasst? Wer bitte möchte bei einem so autoritären und unflexiblen Arbeitgeber beschäftigt sein? Und haben die keine Angst, dass sich ein solches Verhalten herumspricht?
Glücklicherweise hatte der Bewerber am anberaumten Termin Zeit. Die Bundesorganisation überraschte damit, dass in der Gesprächsrunde nicht alle diejenigen waren, die man ihm angekündigt hatte, dafür aber andere Personen. Auf die hatte er sich natürlich nicht vorbereiten können. Herzlichen Dank auch, möchte man da den Personalverantwortlichen zurufen. Und der nächste Ich-glaub-ich-hör-nicht-richtig-Moment war der, als es um das Gehalt ging: Einen Bewerber mit über 20 Jahren Berufserfahrung als Berufseinsteiger eingruppieren zu wollen, ist einfach fern von allem. Besonders interessant in diesem Zusammenhang: Im Bewerbungsprozess sollte der Bewerber offenlegen, warum er divers ist und wo er sich ehrenamtlich engagiert. Schade, dass die hohen Ansprüche offensichtlich nur in eine Richtung gelten. Die endgültige Absage kam dann übrigens in dieser Woche nach 104 Tagen.
Mehr als peinliche Bewerbungsprozesse
Drei weitere Unternehmen haben sich ebenfalls eher durch Inkompetenz im Bewerbungsprozess ausgezeichnet:
- Eine große Supermarktkette sagte einem Bewerber ab. Dann rief man ihn an und sagte, es sei ein Fehler unterlaufen, ob er noch Interesse habe? Letztlich sagte man ihm erneut ab.
- Bei einem anderen Unternehmen, einem Dienstleister aus der KFZ-Branche, war es unmöglich, sich in das Bewerbertool einzuloggen, um den Fortgang der Bewerbung im Blick zu behalten. Doch eine Mitteilung ans Unternehmen war auch sehr schwierig, weil die Personalmitarbeiter*innen zwar mit Foto und Namen auf der Seite genannt waren, jedoch weder eine Telefonnummer noch eine Mailadresse hinterlegt war. Der Bewerber hat darum an eine Sammeladresse geschrieben – und auch darauf hingewiesen, dass das Logo einer anderen Firma in der Stellenanzeige abgebildet war. Er bekam eine Fehlermeldung zurück – und erfreulicherweise trotzdem einige Tage später ein Vorstellungsgespräch. Dann hörte er wochenlang nichts mehr. Auf seine Nachfrage teilte man ihm mit, dass die Stelle bereits besetzt sei, und man vergessen habe, ihm abzusagen. Die Absage kam so zwei Monate nach dem Vorstellungsgespräch.
- Ein Chemiekonzern mit Milliardenumsätzen hatte es zwei Monate nach der Eingangsbestätigung noch nicht geschafft, sich erneut zu melden und wenigstens einen Zwischenstand zu geben. In der Eingangsbestätigung war als Mailadresse ein Name mit „Test“ hinterlegt. Auch das zeugt nicht von Professionalität.
Mein Fazit: Auch wenn immer vom Fachkräftemangel gesprochen wird: Bei einigen Firmen scheint er noch nicht angekommen zu sein. Sonst könnten sie sich solche Abläufe einfach nicht leisten.