Mein Einkommen als Freie schwankte in den vergangenen 12 Jahren stark - war aber nie wirklich niedrig.
Mein Einkommen als Freie schwankte in den vergangenen 12 Jahren stark – war aber nie wirklich niedrig.

Überall hört und liest man, dass freie Journalisten schlecht verdienen. Ich kenne interessanterweise keinen dieser Kollegen persönlich. Haben Kollegen aus dem Bekanntenkreis tatsächlich als Freie schlecht verdient, haben sie nach sehr kurzer Zeit den Job gewechselt. Ich glaube außerdem, dass es schlecht ist, diese These immer weiter und weiter zu verbreiten.

Ob man vom Journalismus leben kann?

Neulich habe ich mich bei meinen Onlinejournalismusstudenten darüber aufgeregt, wie schlecht Tageszeitungen bezahlen, und wie unfair ich das finde. Da fragte eine junge Kollegin sehr zaghaft, ob es denn Medien gäbe, die besser bezahlen. Oh ja, sagte ich. Und dachte mir: In dieser Branche läuft ganz deutlich etwas schief, wenn schon Berufseinsteiger davon ausgehen, dass sie künftig nichts verdienen werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit diesem Vorurteil konfrontiert werde. Im Gegenteil: Seit etwa zwei Jahren nehme ich vermehrt einen mitleidigen Blick wahr, wenn ich neuen Kontakten sage, dass ich selbstständige Journalistin bin. Sehe ich diesen Gesichtsausdruck, weiß ich genau, welche Frage als nächstes kommt:“Kann man denn davon leben?“. Diese Frage bringt mich regelmäßig auf die Palme. „Sehe ich denn abgerissen aus?“, frage ich mich dann selbst. Meine Standardantwort auf diese Frage lautet:

„Ich verdiene in der Regel etwas mehr als eine befreundete festangestellte PR-Kollegin bei einem Telekommunikationsdienstleister und etwa genauso so viel wie ein befreundeter Controller. Manchmal auch deutlich mehr. Wenn andere von diesem Geld leben können, wird mir das doch wohl auch gelingen?“.

Darauf folgt entweder Schweigen oder ein zickiges „Dann ist ja gut!“.

Mit Online(Journalismus) Geld verdienen

Kein Wunder also, dass mich Aussagen im Netz wie diese irritieren:

Als Online-Journalistin kein gutes Einkommen? Kann ich nicht bestätigen.

heißt es in einem Artikel vom Mai 2014 in Business-on. Vielleicht hatte ich bisher einfach nur Glück, aber ich habe 2013 83 Prozent meines Jahresumsatzes mit dem Internet verdient. Dabei schreibe ich im Wesentlichen Artikel, aber ich gebe auch Seminare rund um die Themen Social Media, SEO und mobile reporting. Und ein ganz kleiner Mosaikstein des Einkommens im Netz ist der Verkauf von eBooks und Fotos über Microstockagenturen. Aber wirklich ein ganz kleiner.

Noch ein Beispiel:

Zu wenig, zum leben ...

heißt es in einer Pressemitteilung des DJV vom April. Von dieser Summe könnte ich nicht einmal ansatzweise meine Rate für die Wohnung, meine Altersvorsorge und meine Versicherungen bezahlen. Und darum würde ich für dieses Geld auch nicht arbeiten, sondern mir einen anderen Beruf suchen. Kein Job in der Welt ist so toll, dass man für ihn am Hungertuch nagen sollte.

Vorsicht vor der Spirale, die wir mit diesen Aussagen in Gang setzen

Leider sind es genau diese Aussagen, die das Verdienstbild freier Journalisten in der Öffentlichkeit prägen. Mir fällt dazu Folgendes ein:

    • Woher kommen diese Zahlen? Werden Sie abgeleitet aus dem, was Freie der Künstlersozialkasse (KSK) melden? Dann sollte sich niemand über sie wundern. Zwar prüft die KSK seit einiger Zeit rückwirkend, ob der vom Journalisten genannte Verdienst realistisch ist. Ich kenne aber sehr viele Kollegen, die diese Prüfung noch nicht hatten. Abgesehen davon, habe ich noch nicht gehört, dass tatsächlich jemand Strafe bezahlen musste, weil er zu wenig gemeldet hat. Fraglich ist auch, inwiefern es wirklich gewünscht ist, dass Freie einen realistischen Jahresbetrag melden. Schließlich sparen alle, die an der Finanzierung beteiligt sind, wenn Journalisten nicht die wirkliche Höhe ihres Einkommens angeben. Ich kenne abgesehen davon durchaus Journalisten, die der KSK deutlich weniger melden, als sie verdienen – um Geld zu sparen. Das ist jedoch einerseits eine Milchmädchenrechnung, andererseits verzerrt es das Bild.
    • Wenn der Brutto-Durchschnitt bei 2.180 Euro liegt, dann muss es Kollegen geben, die deutlich weniger verdienen – und Kollegen, die deutlich darüber liegen. Es wäre vielleicht ganz sinnvoll, die Spitzen zu nennen. Das könnte für die Kollegen, die wenig verdienen, ein Ansporn sein, sich besser zahlende Kunden zu suchen.
    • Ich halte es für eine Form der self fullfilling prophecy, immer wieder zu betonen, wie schlecht wir Journalisten verdienen. Irgendwann wird dann auch der letzte gut-zahlende Kunde auf die Idee gekommen sein, die Honorare zu senken. Denn, das habe ich durchaus selbst erlebt, es gibt Kunden, die weniger zahlen als noch vor einigen Jahren. Sei es direkt, indem sie statt 300 Euro für einen Onlineartikel nur noch 250 Euro zahlen, oder sei es indirekt, indem sie für die 250 Euro mehr Inhalt wünschen. Das ist nicht in Ordnung, und dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Aber nicht dadurch, dass wir immer weiter darüber lamentieren, wie schlecht wir verdienen.

Das Geheimnis meines Verdienstes

Trotz solcher Honorarsenkungen geht es mir finanziell noch immer sehr gut. Das hat seine Gründe. Meine fünf wichtigsten ganz persönlichen Erfolgspunkte:

  1. Ich mache Verbraucherjournalismus. Viele Kollegen sehen mich deswegen als Erbsenzähler oder Tabellenhengst. Ja und? Inhaltlich ist für jeden Bürger wichtig, was ich schreibe – und ich werde gut bezahlt. Darum also danke an alle Kollegen, die mir in diesem Feld keine Konkurrenz machen.
  2. Ich entwickle mich weiter. Früher hatte ich Karriere- und Immobilienfinanzierungsthemen im Portfolio. Die interessieren heute kaum noch einen meiner Kunden. Sie wollen Nutzwerttexte rund um Internetthemen – und die bekommen sie bei mir.
  3. Ich bin mir nicht zu schade für No-name-Medien zu schreiben. Was habe ich davon, für die großen, schlecht-zahlenden Zeitungen und Magazine zu schreiben? Nichts, außer Arbeit. Die kleinen, die kaum einer kennt, sind ausgesprochen dankbar, Nutzwertthemen zu bekommen. Die Arbeit mit ihnen läuft problemlos – und sie zahlen auch noch gut dafür.
  4. Ich nutze das Internet für meine Zwecke. Ich sende bei Facebook, Twitter, Instagram, Google+ – und noch bei einigen mehr. Und ich habe bereits sehr viele Kunden über das Internet gefunden. Oder besser gesagt: Sie mich.
  5. Ich netzwerke. Das heißt nicht, dass ich bei anderen ständig Informationen abzapfe, sondern dass ich einen Kontakt herstelle, wenn ich es kann, oder dass ich einen Tipp gebe, wenn ich danach gefragt werde. Da eine Hand die andere wäscht, freue ich mich so regelmäßig darüber, dass Kollegen mich empfehlen. Und das ist selbst im digitalen Zeitalter unbezahlbar. Zumindest für mich. Darum Danke an alle, die sich am Netzwerk so aktiv beteiligen.

Zum Weiterlesen

Timo Stoppacher hat auf Fit für Journalismus eine neue Serie gestartet: Wie komme ich an neue Aufträge.
Warum 33 Euro Stundenlohn für einen freien Dozenten zu wenig sind
Schlechtes Gewissen war gestern

Journalismus: Ich will mal über Geld reden
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10 Kommentare zu „Journalismus: Ich will mal über Geld reden

  • Pingback:Jonet Das Journalistennetz. Seit 1994. » Medienlog 17. und 18. Juni 2014

  • Juni 20, 2014 um 8:43 am Uhr
    Permalink

    liebe Bettina,
    grundsätzlich stimme ich Dir zu – lediglich der Mehrwert fürs renomee ist etwas, dass den einen oder anderen auch als Autor für die großen Arbeiten lässt freiberuflich. Und der eine oder andere bekommt sogar gutes Geld für „Gast“-Beiträge – das sollten wir auch nicht verschweigen. Immer dann, wenn die großen Titel sich mit deren namen schmücken wollen oder es „in“ ist, diesen oder jenen im Blatt zu haben, wir alle kennen die Beispiele.
    Dennoch ist die Tendenz, dass auch die Kleinen mehr wollen für ihr Geld, nicht zu leugnen. Woran das liegt, ist uns auch allen klar, oder? Immer mehr verdienen ihr Geld mit der mehr oder weniger gut platzierten Werbung – und wenn die per Adblocker – auch ich benutze diese – ausgeblendet werden, fehlt der zählbare Nachweis für die Herausgeber.
    Du schreibst, dass Du auch noch andere „Jobs“ hast – ichn glaube, genau das ist es, was es erfolgreich und gewinnbringend macht. Wir Schreibenden brauchen einen Mix, um freiberuflich gut arbeiten zu können – auch ich werde das wieder anstreben… und sollten unsere Kompetenzen nutzen, nicht nur zu tippen. So genug fremdgetippt – vielleicht schaffe ichn es ja mal, auf meinem Blog ausführlicher zu antworten, wenn die arbeit es zuläßt… 😉
    Gruß
    Su

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    • Juni 20, 2014 um 8:50 am Uhr
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      Um das klarzustellen: Alle meine Jobs haben mit Journalismus zu tun: Ich schreibe – oder ich unterrichte: Social Media für Journalisten, SEO für Journalisten, Onlinejournalismus und so weiter. Es ist nicht so, dass „andere Jobs“ nichts mit der Branche zu tun hätten.

      Antworten
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  • Juli 2, 2022 um 12:35 pm Uhr
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    Auch bei der Künstlersozialkasse wird über Steuerbescheide schnell nachgeprüft, wie hoch die Honorare wirklich sind, bzw. waren. Schön, wenn die Schreiberin des Artikels so gut von ihrem Job leben kann. Die Realität sieht leider anders aus. Ich persönlich kenne fast nur freie Kollegen, die ebenfalls am Mindestlohn knabbern. Einfach einem anderen Job machen? So einfach ist das? Nein, das ist blanker Zynismus. Ich habe studiert, volontiert und es ist mein Traumberuf. Nach wie vor.
    Aber wir Freien haben einfach keine Lobby. Nicht wirklich. Und leider wird man beispielsweise im Lokaljournalimus mit Abiturienten oder pensonierten Lehrern, für die das Annehmen von Terminen oft eher eine Freizeitbeschäftigung ist, für die man erfreulicherweise sogar noch etwas Geld bekommt, auch mit fundierter Ausbildung honorartechnisch auf eine Stufe gestellt. Mit etwas Glück gibts alle paar Jahre mal zwei Cent mehr pro Zeile. Wir Freien müssten mal nur ein Wochenende gemeinsam streiken. Was dann wohl geschehen würde? Aber das ist natürlich nicht realisierbar. Bleibt der einzige Ausweg: Schneller schreiben, kürzere Termine machen, weniger akkurat recherchieren, also Abstriche bei der Qualität zu machen. Ob das überhaupt jemandem in den Redaktionen auffallen würde, sei mal dahingestellt. Aber wenn man eine gewise Kompetenz, Berufserfahrung und auch Verantwortungsgefühl gegenüber dem Leser hat, dann fällt es ohnehin schwer, nur durchschnittliche Arbeit zu leisten. Ich sehe mit großem Bedauern momentan für all die freien Journalisten, die unterbezahlt sein, keine Lösung.

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    • Juli 2, 2022 um 12:47 pm Uhr
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      Liebe Helga,

      danke für deinen Kommentar. Ich kenne erfreulich viele freie Journalist*innen, die gut von ihrer Arbeit leben können. Das ist genauso Realität, wie das, was du beschreibst. Bist du DJV-Mitglied? Im Journalist gibt es eine Kolumne „Was verdienen Sie?“. Dort äußern sich Kolleg*innen anonym zu ihrer Einkommenssituation. Ich bin immer wieder positiv über die hohen Einnahmen erfreut. Das ändert nichts daran, dass viele Kolleg*innen sehr wenig verdienen, speziell im Lokaljournalismus. Auch wenn das dein Traumberuf ist: Vielleicht hilft es ja, mal links und rechts zu schauen, wo man eben besser verdient.

      Deine Argumentation kann ich gut verstehen: Ich habe auch studiert und sogar beide Studiengänge abgeschlossen, der letzte war das Aufbaustudium Journalismus in Mainz, das damals einem Volontariat gleichgestellt war. Und genau darum lasse ich mich nicht ausnutzen. Ich habe erst vergangene Woche einen Lehrauftrag an einer Hochschule abgelehnt, weil ich dort mit einem Gewinn von sechs Euro pro Stunde rausgegangen wäre. Mache ich nicht. Wenn Kolleg*innen das machen wollen – bitte. Ihre Entscheidung. Und das hat nichts mit Zynismus zu tun. Darauf zu hoffen, dass sich die Dinge ändern, wenn man selbst nichts ändert, hat bisher selten etwas gebracht. Für mich ist klar: Wenn ich von meinem Traumberuf nicht mehr so leben kann, wie ich mir das wünsche, suche ich mir einen anderen Job. In diesem Sinne

      viele Grüße
      Bettina

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  • Januar 6, 2024 um 1:18 am Uhr
    Permalink

    Kann man vom freien Journalismus heute noch leben? Ja, wenn man einfach was anderes macht 😉
    Scherz beiseite, es sind gute Ansätze in Ihrer Abhandlung, den Ton finde ich aber sehr selbstgefällig und überheblich und Ihre neoliberale Haltung, ja, zynisch. Schön, dass Sie Glück gehabt haben, aber unterstellen Sie bitte nicht anderen, die nicht so viel Glück hatten, sie wären zu faul, sich weiterzubilden oder zu dumm, sich anderweitig umzusehen. Und nur, weil es in Ihrem Bekanntenkreis keine im Prekariat lebenden Journalist*innen gibt, bedeutet das nicht, dass dies kein gesellschaftliches Problem ist. Ebenso unnötig Ihre vage Verdächtigung, „angeblich“ mies verdienende Journalist*innen würden nur die KSK bescheißen (nein, manche von uns haben tatsächlich keine Eigentumswohnung und keine Altersvorsorge und arbeiten ZUSÄTZLICH noch in anderen Jobs, just saying).
    In Bezug auf Ihre angepriesenen Gebrauchstexte wünsche ich Ihnen auf jeden Fall weiterhin viel Glück in den kommenden Zeiten der KI! 🙂

    P. S.: Das Internet nutzen und Netzwerken, was für revolutionäre Ideen 😉

    Antworten
    • Januar 6, 2024 um 6:55 am Uhr
      Permalink

      Hallo Karin,
      Sie klingen wütend und frustriert, und das ist schade. Ob Sie’s glauben oder nicht: Ich lebe immer noch sehr gut vom freien Journalismus, jetzt im 21. Jahr. Den Artikel, den Sie kommentiert haben, habe ich vor zehn Jahren geschrieben. An meiner Einstellung hat sich nichts geändert: Nicht für Tageszeitungen schreiben, davon kann man nicht leben. Immer die Augen offen halten. Zum Thema KI kann ich Ihnen nur sagen: Ich habe mich letztes Jahr eingearbeitet und verdiene gutes Geld damit. In den kommenden 4 Wochen gebe ich 5 Workshops, in denen ich Kolleg*innen erkläre, wie man KI sinnvoll einsetzt und wo die Grenzen liegen. Falls Sie im Journalist die Rubrik zum Geld verdienen lesen, werden Sie dort von vielen anderen Freiberufler*innen erfahren, mit welchen Strategien auch diese sehr gut verdienen. Wie gesagt: Netzwerken lohnt sich!
      Ihnen alles Gute
      Bettina

      Antworten

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