So süß: Breiverschmiert, auf dem Töpfchen oder das erste Mal am Strand. Stolze Eltern teilen diese Kinderbilder in sozialen Netzwerken. Sie wissen oft nicht, welche Folgen das haben kann. Doch soziale Medien wie Facebook und Instagram sind kaum noch aus dem Leben moderner Eltern wegzudenken. Sie verbinden Menschen über Kontinente und um die ganze Welt. Es ist kein Wunder, dass man dort auch Fotos der eigenen Kinder teilen möchte, um Freunde und Familie in der Ferne am Aufwachsen der Kleinen zu beteiligen. Allerdings ist die Welt da draußen nicht nur gut: „Sicherlich ist es ein extremes Beispiel, wenn wir vor Pädophilen warnen“, sagt Martin Müsgens, Referent bei der EU-Initiative klicksafe. Sie ist unter anderem bei der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Müsgens ist Soziologe und ausgebildeter Lehrer mit dem Schwerpunkt auf digitalen Medien.
Erst nachdenken, dann Kinderbilder posten
Trotzdem sollten sich Eltern darüber im Klaren sein, dass allzu freizügige Fotos ihrer Kinder, die einem größeren Personenkreis zugänglich sind, auch in die falschen Hände geraten können. „Optimal wäre, wenn man überhaupt keine Bilder von Kindern im Internet posten würden“, sagt Müsgens. „Uns ist jedoch bewusst, dass wir im digitalen Zeitalter leben. In der Regel verschickt man keine Fotos mehr auf Papierabzügen im Kuvert an Freunde.“ Doch genau darum sollte man sich der möglichen Gefahren bewusst sein: Würde man einen solchen Papierabzug auf der Straße einem fremden Menschen in die Hand drücken? Wahrscheinlich nicht!
„Für viele Menschen sind die Reichweite und Dynamik des Internets abstrakt“, sagt der Internetexperte. „Darum können sie sich die möglichen Folgen nur schwer vorstellen“. Außerdem sei die Zeitspanne, um ein Foto zu machen und hochzuladen, dank Smartphone und mobilem Internet inzwischen so kurz, dass eine Art Automatismus entstehen kann. „Dann reflektieren die Eltern nicht mehr, ob man dem Kind damit langfristig schaden könnte.“
Die Spätfolgen bedenken
Müsgens rechnet damit, dass erst in fünf bis zehn Jahren die Konsequenzen des Bilderwahns in der Gesellschaft erkannt werden. Denn die Kinder, deren Fotos heute überall zu sehen sind, sind jetzt noch oft sehr klein. Denkbar ist beispielsweise, dass sie später in der Schule gehänselt werden wegen der Aufnahmen, gedissed werden, wie das auf Neudeutsch heißt. Auch dass sich die Kinder später darüber ärgern und den Eltern Vorwürfe machen, sind mögliche Folgen. Schließlich können Kinderbilder im Netz an vielen Stellen auftauchen. „Der Kontrollverlust beginnt mit dem Hochladen“, sagt Müsgens.
Beispiel WhatsApp: Wer darüber Bilder seiner Kinder an Freunde und Bekannte verschickt, akzeptiert, dass das Foto auf dem Smartphone des anderen gespeichert wird. Wie sich die Beziehung zwischen Sender und Empfänger verändern wird, kann niemand vorhersehen. Was mit solchen Fotos im Falle eines schlimmen Streits oder gar Kontaktabbruchs passieren kann, weiß auch niemand. Möglicherweise wird das Gerät auch eines Tages weiterverkauft, ohne dass die eigenen Daten ausreichend gelöscht wurden. Vielleicht stiehlt oder hackt es jemand – dann sind die Fotos, die man nur einem kleinen Freundeskreis zukommen lassen wollte, schnell in fremden Händen.
Die AGBs der Anbieter
Und über noch einen Punkt sollten sich Eltern bewusst sein: Wer Facebook, Instagram & Co nutzt, akzeptiert die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter. Bei Facebook steht dort beispielsweise, dass das Unternehmen das Recht hat, die hochgeladenen Fotos kommerziell zu nutzen. „Das ist bisher noch nicht in größerem Rahmen passiert“, sagt der Digitalexperte. Das heißt aber nicht, dass es in Zukunft nicht passieren könnte. Und: „Hier hilft übrigens auch die Einschränkung des Personenkreises, der den Post sehen kann, nichts. Facebook hat Zugriff auf alle hochgeladenen Fotos.“
Mehr Informationen zu diesem Thema gibt es bei meinem Kunden Wirtschaftszeitung AKTIV. Dort kommt auch ein Rechtsanwalt zum Wort. Und es gibt Tipps für ein besseres Posten.
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