"Nein" kann man auch ganz nett sagen
„Nein“ können Personalabteilungen also  auch ganz nett sagen

Die gute Nachricht zuerst: Auch mit fast 50 kann man nach einer Kündigung von Personalabteilungen Einladungen und schließlich auch eine Festanstellung bekommen. Natürlich: Der betroffene Controller hätte auch mit der Firma Richtung Hamburg ziehen können. Doch seine Mutter lebt im Pflegeheim in NRW, für seinen Bruder, der in der Nähe wohnt, ist er gesetzlicher Betreuer. Seine Frau ist beruflich mit dem Rheinland verbunden, und Immobilienbesitzer ist er auch noch. Ein Umzug wäre also zwar möglich gewesen, war aber nicht seine erste Wahl. Rund 80 Bewerbungen hat er in dem halben Jahr als Arbeitsloser geschrieben. Und während der Jobsuche einige interessante Dinge erlebt:

„Besonders ärgert mich eine Stellenausschreibung einer größeren Kommunikationsfirma“, sagt er. Dort hatte er sich Ende Dezember beworben und eine Eingangsbestätigung bekommen. Bis Mitte August kam aber weder eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, noch eine Absage. So ungewöhnlich ist das übrigens nicht. Auch andere Firmen, darunter ein Krankenhaus, haben sich seit über drei Monaten nicht auf seine Bewerbung gemeldet. In der Zwischenzeit ist ihm das zwar egal, denn zum 1. Juli hat er eine tolle Stelle in einem netten Team und beim perfekten Arbeitgeber gefunden. Grundsätzlich sind diese Erfahrungen aber interessant – speziell, wenn man bedenkt, dass der Fachkräftemangel in vielen Branchen und Regionen längst Realität ist.

Mangelnde Kinderstube in Personalabteilungen

Ich finde außerdem, es hat mit Respekt und Wertschätzung zu tun, wie schnell man sich auf eine Bewerbung meldet: der Bewerber hat nämlich viel Zeit damit verbracht, ein individuelles Anschreiben zu verfassen und dafür zu sorgen, dass die Unterlagen gut aussehen. Außerdem hat jedes Unternehmen seine eigenen Vorgaben: Hier soll der Anhang keinesfalls größer als 2 MB sein, dort ist der Anmeldeprozess für das interne Bewerbungssystem komplizierter als anderswo. Als Bewerber, so finde ich, darf man also mit einer zeitnahen Antwort aus den Personalabteilungen rechnen. Und falls es nur die ist: „Wir haben so viele Bewerbungen, wie brauchen leider noch ein bisschen.“ Übrigens: Das Unternehmen, bei dem der Controller jetzt angefangen hat, meldete sich am Tag nachdem die Unterlagen eingegangen waren, um einen Gesprächstermin für die nächste Woche auszumachen. Und am Tag nach dem Gespräch kam bereits die Zusage. So schnell kann das gehen.

Auch mit Personaldienstleistern hat der Controller eigene Erfahrungen gemacht: Nachdem er ein neues Porträtfoto bei Xing und einen entsprechenden Text hochgeladen hatte, quoll sei Mailfach von Anfragen über. Richtig ernst schien es aber keine der Firmen zu meinen. Sein Verdacht und der seiner ebenfalls betroffenen Kollegen: Die Dienstleister brauchen lediglich Füllmenge, um ihren Kunden mehr als einen oder zwei Bewerber vorschlagen zu können. Denn wenn der Bewerber auf die Personaldienstleister zuging und fragte, ob sie einen Kontakt herstellen könnten, oder auch nur, ob sie ihn über einen Prozess auf dem Laufenden halten könnten, passierte in der Regel nichts – obwohl es immer Zusicherungen gab.

Die Highlights während der Bewerbungsphase

Und gab's ein Leben vor 2001?
Und gab’s ein Leben vor 2001?

Der Controller hat eine Top 3 der Dinge erstellt, die neben der ausbleibenden Antworten von Personalabteilungen beim Bewerbungsprozess von Arbeitgeberseite her nicht passieren sollten:

  1.  Altersdiskriminierung Ein Kölner Unternehmen hatte ein Onlinebewerbungsformular, in dem man angeben sollte, seit wann man beim jetzigen Arbeitgeber arbeitet. Und auch, wie lange man bei den vorherigen Arbeitgebern beschäftigt war. Dummerweise war die letzte Jahreszahl, die man anklicken konnte, 2001. Wer also im Jahr 2016 schon 17 Jahre beim gleichen Arbeitgeber war, oder wer generell vor 2001 angefangen hat zu arbeiten, kann das Formular überhaupt nicht den Regeln entsprechend ausfüllen – und wird somit direkt ausgesiebt. Nicola Simon, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei WBS Law in Köln, sagt dazu:

    „Tatsächlich könnte man den Umstand, dass man in dem Online-Formular Berufserfahrungen vor 2001 gar nicht angeben kann, als Altersdiskriminierung und damit als Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz werten. Denn eine Stellenausschreibung darf nicht so formuliert werden, dass sich ältere, potenzielle Bewerber hierdurch von einer Bewerbung abschrecken lassen.

    Zwar könnte man das Online- Formular auch so interpretieren, dass bei allen Bewerbern nur die Berufserfahrungen der letzten 15 Jahre für das Unternehmen relevant sind. Zu dem Eindruck, dass hier primär jüngere Bewerber angesprochen werden sollen, trägt aber auch die Anrede mit ‚Du’ bei, von der sich Bewerber über 40 in der Regel nicht mehr angesprochen fühlen werden. Auch hierbei muss man allerdings differenzieren, da es bestimmte Unternehmen gibt, bei denen das Duzen allgemein üblich und anerkannt ist.

    Letztlich handelt es sich hier natürlich um eine Wertungsfrage, über die ein Arbeitsgericht entscheiden müsste. Aus meiner Sicht begründen die beiden Umstände aber eine Vermutung dafür, dass ältere Bewerber ausgeschlossen werden sollen, das heißt, dass sich das Unternehmen im Streitfall entlasten und einen sachlichen Rechtfertigungsgrund hierfür darlegen und nachweisen müsste“.

  2. Feedbackbogen Ein weiteres Unternehmen mit Sitz in Köln schickte statt einer Einladung zum Vorstellungsgespräch direkt eine Absage. Nach der Absage kam dann jedoch noch ein Feedbackbogen, in dem man das Bewerbungserlebnis bewerten sollte. Kann man machen. Wird aber nicht viel bringen.
  3. Inkonsequenz Ein drittes Unternehmen mit Sitz in Köln veröffentlichte eine Anzeige, in der der Bewerber geduzt wurde. Der fast 50-jährige Controller fühlte sich trotzdem angesprochen – und schickte eine Bewerbung, in der er ebenfalls die Du-Form benutzte. Als Absage bekam er dann jedoch eine Mail, in der man ihn siezte. Davon abgesehen war sie unterschrieben von der Werksstudentin. Nichts gegen Werksstudenten. Aber Wertschätzung in einer Absage sieht meiner Meinung nach anders aus.

Die Folgen für Unternehmen

Weißte Bescheid
Weißte Bescheid

Nach all diesen Geschichten frage ich mich, ob Firmen eigentlich nicht klar ist, dass der Bewerbungsprozess auch für sie ein Werbeprozess ist. Es bedarf nämlich keiner Blogbeiträge und auch keiner sozialen Netzwerke, damit sich Bewerber über ihre Bewerbungen austauschen. Dazu reicht ein ganz altwürdiger Stammtisch. Oder auch nur der Freundeskreis. Dort wird jedoch, anders als in diesem Artikel hier, der Firmenname genannt. Keines der drei Unternehmen aus diesem Beitrag hat sich im Prozess so sehr mit Ruhm bekleckert, dass man dort arbeiten möchte. Und so müssen sich einige Firmen überhaupt nicht wundern, wenn sie unter Fachkräftemangel leiden. Das gilt übrigens auch für die Unternehmen, die in Vorstellungsgesprächen eigenartige Fragen stellen. Merkt Euch, liebe HRler: Euer Verhalten spricht sich rum. Vielleicht mehr, als Euch lieb ist.

Wie sich Personalabteilungen bei der Suche nach guten Kräften selbst im Weg stehen
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