Da denke ich seit Jahren, dass ich ein ausgeglichenes Leben habe. Bis mir der Zufall die Rezension einer App in die Hände spielt: Optimize me soll mir darüber Auskunft geben, wie ich mein Leben besser gestalte. Das Ergebnis gefällt mir nicht.
Selbstoptimierung per App für die Work-Life-Balance
Um es direkt zu sagen: „Optimize me“ finde ich einen ganz schrecklichen Namen für eine App, mit der ich mein Leben aufzeichnen soll. Ich kann meine Arbeitsabläufe optimieren, aber mich selbst – will ich nicht wirklich optimieren. Das klingt mir zu kalt und gefühlslos. Trotzdem installiere ich die App, die gar nicht so günstig ist. Schließlich klingt vielversprechend, was der Kollege darüber schreibt. Aber ich bin enttäuscht von ihr, und zwar zuerst, weil ich die Nutzung zu umständlich finde. Sicher: ich könnte sie einfach immer dann die Zeit stoppen lassen, wenn ich eine neue Sache beginne. So wie eine Stechuhr. Aber das liegt mir nicht – abgesehen davon, dass ich ständig vergesse, sie einzuschalten. Außerdem würde es vermutlich viel Akkuleistung kosten, wenn ich die App eine eineinhalbstündige Zugfahrt oder einen achtstündigen Arbeitstag tracken lassen würde. Zwar kann ich abends auch die notwendigen Daten händisch eintragen, aber nicht einfach als Minutenangabe. Nein, ich muss jeweils die Anfangs- und die Endzeit für eine Aktion eingeben. Statt „208 Minuten im Zug“ müsste ich also eingeben: „Von 7:53 bis 9:37 im Zug“ und „Von 17:20 bis 19:24“. Das ist sehr kompliziert.
Ernüchterndes Ergebnis mit Optimize me
Einige Tage mache ich das trotzdem, weil ich nämlich auf das Ergebnis gespannt bin. Doch das fällt leider ernüchternd aus. Nachdem ich einige Tage Buch über mein Lebensverhalten geführt habe, stelle ich fest, dass mein durchschnittlicher Tag zu 41 Prozent aus Routine besteht: Morgenhygiene, Arbeit, von A nach B kommen. Und das, obwohl ein Feiertag in meine Aufzeichnungszeit fällt. Nun gut – es bleiben noch 59 Prozent der Zeit übrig, die ich hoffentlich sinnvoll verbringe?
Wieder getäuscht. Fast 48 Prozent meiner Zeit gehen für „Gesundheit“ drauf – in diesem Fall: Schlafen und Sport. Bleiben mickrige 8,7 Prozent fürs Vergnügen und nur 2,6 Prozent für Kreativität. Und das in meinem Beruf! Ich denke darüber nach, ob ich die Arbeit vielleicht besser unter Kreativität zählen sollte und Sport unter Vergnügen. Dann sähe zwar das Ergebnis toll aus. Aber würde es noch der Realität entsprechen? Ist Arbeit, bei der man zwar schreibt, aber oft Zeitdruck hat, noch kreativ?
Fragwürdige Schlussfolgerung zur Selbstoptimierung
Am schrecklichsten finde ich aber diese Schlussfolgerung von Optimize me: „Routine korreliert positiv mit Gesundheit“. Heißt: Verbringe ich viel Zeit mit Routine, schlafe ich auch viel beziehungsweise mache viel Sport. Nun denn. Wenn ich viel arbeite, bin ich müde. Dann ist es kein Wunder, dass ich viel schlafe. Oder wenn ich viel arbeite, habe ich in einem bestimmten Maß Stress. Das baue ich am besten ab, wenn ich Sport mache. Also ist es kein Wunder, dass ich viel Sport mache, wenn ich viel arbeite. Aber es ist sicher ein Trugschluss, dass viel Arbeit quasi gesund ist. Nein. Ich mag diese App nicht. Doch es erschreckt mich, wie viel meiner wertvollen Zeit ich mit Dingen verbringe, die weder ein Vergnügen bereiten, noch kreativ sind. Ich sollte an meiner Work-Life-Balance arbeiten. Ohne App.
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