Sommerwochenende
Sommerwochenende

Es ist Donnerstagmittag und ich ärgere mich. Dabei hat der Tag gut angefangen: eine Vortragsanfrage für Januar, ich komme gut mit der Arbeit voran. Doch dann klingelt das Telefon. Ein Kunde fragt, ob ich sehr kurzfristig einen Artikel schreiben kann. Was heißt „sehr kurzfristig“? Bis Mittwochmorgen. Allerdings könne er mir auch erst morgen Bescheid geben, ob er den Text wirklich braucht. Nee, sage ich, das schaffe ich nicht. Ich bin Dienstag und Mittwoch in Berlin. Da bliebe mir ja nur der Montag für Recherche und Schreiben. Der Kunde will wohlgemerkt immer zwei O-Ton-Geber im Text sehen.

Kundenwünsche kann man nicht immer erfüllen

„Tja“, sagt der Kunde – „Sie hätten das Wochenende“. Ich sage: „Ich bin nicht da!“. Und an dem Punkt beginnt mein Ärger. Denn erstens handelt es sich beim Kunden um eine Tageszeitung. Eigentlich schreibe ich schon lange nicht mehr für Tageszeitungen, weil sie so schlecht zahlen. Dieses Jahr sind mir aber einige langjährige feste Aufträge weggebrochen: Ein Medium, das ich regelmäßig belieferte, wurde dichtgemacht. Ein anderes, in dem ich eine Serie hatte, wurde verkauft. Und eine Veranstaltung findet nicht mehr statt, weil der Sponsor abgesprungen ist.

Auf der Suche nach neuen Kunden stolperte ich über einen alten, eine Tageszeitung. Ich bot ihr Texte zur Zweitverwertung an. Und bekam einen Auftrag zu einem Thema, das eigentlich nicht in mein Portfolio gehört. Ich habe den Auftrag trotzdem angenommen, weil ich Zeit hatte. Schöne Geschichte geworden – allerdings weiß ich noch immer nicht, wie hoch mein Honorar dafür ist. „Wir zahlen noch immer das gleiche Zeilenhonorar“, hatte man mir im Juli gesagt. Die Abrechnung werde jedoch erst im August gemacht, die Überweisung komme dann im September.

Kundenwünsche kann man nicht immer erfüllen

Und nun das: „Sie hätten das Wochenende!“. Und ich sage: „Ich bin nicht da!“. Warum sage ich nicht

  • „Ich habe erstens ein Privatleben, und das ist fürs Wochenende voll mit Terminen.
  • Zweitens habe ich für den Text im Juli noch kein Honorar gesehen und
  • drittens gehe ich davon aus, dass es zu niedrig sein wird, als dass ich dafür am Wochenende auch nur den Computer einschalte.“?

Natürlich will ich dem Kunden nicht auf die Füße treten. Wer weiß, vielleicht passt es irgendwann mal wieder besser. Andererseits: in der Not einem Kunden nicht zu helfen führt in der Regel sowieso zu einer schlechteren Beziehung zu ihm. So klingt der Kunde denn auch verstimmt, als er auflegt, ich habe ein schlechtes Gewissen. Hätte ich es nicht vielleicht doch geschafft?

Nicht alle Kundenwünsche sind ihr Geld wert

Wie, frage ich mich. Wie willst Du in Deutschland am Freitagmittag zwei Interviewpartner auftreiben, die Dir spontan oder am Samstag Deine Fragen beantworten, damit Du am Sonntag den Text schreiben könntest? Montag könntest Du mit den Gesprächspartnern nochmals einen Faktencheck machen und dann abgeben, bevor Du Dienstagmorgen in den Flieger steigst?! Ja, vielleicht. Vielleicht würde das gehen, denke ich mir. Aber warum sollte ich das machen, frage ich mich dann. Meine Wochenendtermine absagen und für vielleicht 200 Euro den Megastress haben? Nein, denke ich. Und langsam verraucht mein Ärger. Vielleicht geht es mir noch zu gut, weil ich nicht versuche, für einige lousy pennies das Unmögliche möglich zu machen. Vielleicht bin ich aber auch schon lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass der Job nicht alles im Leben ist. Und: Hexen kann ich eben leider nicht!

Kundenwünsche: Hexen kann ich nicht

3 Kommentare zu „Kundenwünsche: Hexen kann ich nicht

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