Kennst du das? Über Wochen und Monate läuft alles ziemlich reibungslos. Und plötzlich häufen sich die Probleme, die du mit Dienstleistern, Behörden und anderen Interaktionspartner*innen aus der Wirtschaft hast. Ich frage mich dann immer, woran es liegt. Sende ich irgendwie negative Wellen aus? Oder ist der Krankenstand durch COVID-19 zu hoch? Oder sind Kund*innen, Bürger*innen und Verbraucher*innen nur Versuchskanninchen für technische Neuerungen?

Klar ist in jedem Fall: Ich muss es ausbaden, und zwar üblicherweise mit meiner Zeit, von der ich sowieso nicht viel habe. Einige Beispiele, gesammelt Ende März/Anfang April in maximal zehn Tagen:

Dienstag: Die ePA lässt sich nicht digital füllen

Meine Krankenkasse hatte mir vor einigen Wochen geschrieben, dass ich eine ePA bekommen kann, also eine elektronische Patientenakte auf meiner Gesundheitskarte. Dazu müsste ich allerdings eine neue Karte beantragen. Dann hätte ich bis zum 31. März Zeit, meine bereits in einer anderen App gespeicherten Informationen digital zu exportieren und auf die Karte beziehungsweise in die App zu übertragen. 

Ich gebe zu, dass ich meine neue Karte erst ziemlich spät bestellt habe. Das lag daran, dass mir beim ersten Durchlesen nicht aufgefallen war, dass es ein Ablaufdatum für den Datenexport gibt. Meine neue Karte kam am 30. März. Ich hatte also noch einen Tag Zeit, die Daten zu überspielen.

Erstes Problem: Die Daten lagen in einer App, die gar nicht mehr auf meinem Smartphone war. Denn als ich beim digitalen Aufräumen vor einigen Monaten versucht hatte, mich in die App einzuloggen, ging das nicht. Also hatte ich sie gelöscht. Auch, weil ich zu dem Zeitpunkt einfach nicht mehr wusste, warum ich sie überhaupt jemals geladen hatte. 

So funktioniert digitale Wirtschaft einfach nicht

Ich lud sie erneut, konnte erfreulicherweise jetzt einen neuen Zugang einrichten. Mit der Anleitung meiner Krankenkasse ließen sich die Daten sehr schnell und einfach in einer verschlüsselten Datei in die iCloud legen. Prima! Dann habe ich mit dem Import begonnen, und bekam immer die Fehlermeldung, das Passwort zum Entschlüsseln sei falsch, ich müsse die Daten nochmals exportieren. Ich habe nach dem vierten oder fünften Mal mit unterschiedlichen Speicherorten, Passwörtern und Browsern an meinem Verstand gezweifelt. Dann habe ich abends das Ganze nochmals mit meinem Mann durchgespielt, um sicherzugehen, dass ich nicht irgendwo einen Fehler mache oder etwas übersehe. Es lag nicht an mir. Ich schrieb darum meine Krankenkasse an, und habe gefragt, wo das Problem liegt.

Zurück bekam ich eine sehr kompliziert klingende Mail, die mehrere Möglichkeiten beinhaltet. Keiner der Lösungsansätze ist es für mich wert, noch mehr Zeit in dieses Projekt zu investieren. Dann frage ich mich: Wenn es schon mir so geht, wie geht es dann anderen Menschen, die nicht so digitalaffin sind? 

Mail von der Krankenkasse
Mail von der Krankenkasse

Ich werde die neue ePA jetzt einfach manuell ausfüllen. Irgendwann.

Mittwoch: Die Mailbox meldet sich nicht

Eine Freundin ruft mich an. Ich schaffe es nicht rechtzeitig ans Telefon. Ich rufe sie zurück. “Hast du meine Nachricht auf der Mailbox schon abgehört?”, fragt sie. Ich bin irritiert, denn mein iPhone zeigt mir keine Nachricht an. Drei Tage später informiert sie mich schließlich darüber, dass es eine neue Nachricht gibt. Drei Tage später! Wie bitte kann das sein? Nun gut, in diesem Fall sind mir keine weiteren Umstände entstanden. Aber, was, wenn jemand eine zeitkritische Information hinterlassen hätte?

Donnerstag: Das Bürgertestergebnis kommt mit deutlichem Verzug

Ich möchte eine Freundin im Krankenhaus besuchen. Dazu benötige ich ein tagesaktuelles Bürgertestergebnis. Ich gehe zur Teststation meines Vertrauens, außer mir ist niemand da. Man zeigt dort neuerdings nur noch seinen Personalausweis vor, bekommt ein Papier zum Unterschreiben und dann wird das Ergebnis automatisch per Mail zugeschickt. Leider habe ich vergessen, darum zu bitten, dass mir der QR-Code für die Coronawarnapp mit auf dem Formular ausgedruckt wird. Schon an diesem Punkt frage ich mich regelmäßig, warum das nicht einfach automatisch gemacht wird. Wer ihn nicht nutzen will, lässt es eben sein.

Zwar ist das neue Verfahren, bei dem man also keinen Termin mehr ausmachen muss, so einfacher und schneller. Allerdings bekommt man so auch keine Terminbestätigung per Mail. Das war für mich bisher immer die Kontrolle, ob auch wirklich meine Mailadresse korrekt hinterlegt ist. Aber gut, alles in allem funktioniert diese neue Vorgehensweise. Nur an diesem Donnerstag nicht. 

Als ich nämlich 45 Minuten später in der Nähe des Krankenhauses die KVB verlasse, habe ich noch immer kein Testergebnis. Ich wähle darum die Telefonnummer, die auf meinem letzten Testergebnis aufgedruckt ist. Es ist besetzt. Besetzt, besetzt und besetzt. Mit jeder Minute wird mein Besuchszeitfenster kleiner. Ich entscheide mich darum dafür, einen zweiten Test machen zu lassen und eile Richtung Krankenhaus. Als ich dort nach weiteren 15 Minuten ankomme, sind natürlich beide Testergebnisse da. Ich hätte mir den zweiten Test sparen können, wenn ich telefonisch jemanden erreicht hätte, der mir gesagt hätte: Dauert noch zwei, drei Minuten. Das hat leider über 25 Minuten nicht geklappt.

Freitag: Elster funktioniert nicht

Seit vielen Jahren übermittle ich meine Steuerdaten via Elster. Eigentlich klappt das super. Als ich aber meine Umsatzsteuererklärung für Q1/22 abschicken möchte, bekomme ich eine Fehlermeldung. Ich probiere es in einem anderen Browser. Ebenso. Dann sehe ich “Falls Sie häufiger eine Fehlermeldung bekommen, probieren Sie es bitte später nochmals”. Ich weiß nicht was los war. Aber am Samstag hat es dann geklappt. Dafür ging am nächsten Tag etwas anderes grundlegend schief.

Samstag: Ich will doch nur Aktien kaufen

Neulich hatte ich bei einer Schokoladenverkostung Fairafric kennengelernt. Das Unternehmen hat mich begeistert. Jetzt habe ich gesehen, dass man Aktien an der Firma erwerben kann. Dazu musste man sich bei Conda Wertpapiere anmelden. Der Link aus der E-Mail führte auf eine 404er-Seite, was zunächst einmal nicht seriös klingt. Über Google habe ich dann die richtige Seite gefunden. 

Die Verifizierung sollte online über IDnow funktionieren, entweder am Rechner oder am Smartphone. Am Rechner passierte nichts. Da, wo ein*e Gesprächspartner*in auftauchen sollte, war nur ein graues Rechteck. Also habe ich die App heruntergeladen. Oh Wunder, ich sprach mit einem echten Menschen. Zeigte meinen Personalausweis vorne und hinten, kippte ihn, um die Sicherheitsmerkmale und Hologramme deutlich zu machen, verdeckte Teile, die ich verdecken sollte. Ich nannte meinen dritten Vornamen, zeigte die Adresse auf einem offiziellen Schreiben – und dann bekam ich einen Anruf. 

Kein*e Gesprächspartner*in da

Mein Smartphone klingelt üblicherweise nie, jetzt schon. Ich wische den Anruf weg. Zu spät. Die Verbindung zu IDnow war weg. Und ließ sich an diesem und den kommenden Tagen trotz mehrfacher Versuche nicht mehr herstellen. Ein Freund, der sich dort auch verifizieren wollte, hatte das gleiche Problem und schickte mir die Info, dass man an der Lösung des Problems arbeite. In der Zwischenzeit ist es behoben, ich habe mich verifiziert. Aktien habe ich aber keine gekauft. Denn mir ist die Mindestkaufsumme im Moment zu hoch.

Sonntag: Ebay-Kleinanzeigen-Interessent hat einen Schuss

Es meldet sich ein Interessent für meinen alten Samsonite-Koffer und will ihn für 14 Euro kaufen. Den Gesprächsverlauf könnt Ihr hier nachlesen.

Ich frage mich, was solche Menschen antreibt, sich so zu verhalten.

Montag: ER 27

Montags wollte ich meine Präsentation für Mittwoch ausdrucken. Zunächst meldete der Drucker ER4, was für „Papierstau“ steht. Es gab aber nirgendwo einen Papierstau. Plötzlich meldete er ER27. Doch auf der Seite des Druckerherstellers konnte ich nichts zu ER27 finden. Ich habe das Gerät aus- und wieder eingeschaltet – nichts. Ich habe den Stecker gezogen. Nichts. Ich habe alle möglichen Klappen auf und wieder zu gemacht. Dann leuchtete wieder ER4. Der Drucker hat trotzdem gedruckt. Das Ganze hat allerdings gut 20 Minuten gedauert.

Donnerstag: Wir wissen nicht, was mit Ihren Reiseunterlagen ist

Wir wollten Mitte April eine zehntägige Urlaubsreise machen. Die Reiseunterlagen sollten uns von der Plattform bis zu sieben Tage vor Beginn der Reise zugeschickt werden. Doch acht Arbeitstage vorher war noch nichts da. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits zweimal per Mail nachgefragt, aber keine Antwort erhalten. 

Wir waren etwas beunruhigt, denn diese Plattform hatte auch unsere Zahlung angemahnt, die wir zu diesem Zeitpunkt längst überwiesen hatten, und konnte nach einem Anruf bei der Hotline den Zahlungseingang erst einmal nicht finden. Entsprechend nervös waren wir. Ich rief darum die Hotline an. Nach gut 15 Minuten nervtötend lautem Meeresrauschen hatte ich eine junge Frau am Apparat. Sie schaute, ob unsere Angaben wirklich alle korrekt hinterlegt seien. Dann sagte sie den wenig erfreulichen Satz: „Ihre Unterlagen sind noch gar nicht da. Das wundert mich auch. Ich weiß nicht, woran das liegt und gebe das an die Abteilung weiter“. Ich: „Und wenn sie bis Montag noch immer nicht da sind?“. „Dann rufen Sie nochmals an.“ 

An diesem Punkt bin ich etwas ausfällig geworden. Es kann doch nicht sein, dass ich als Kundin rechtzeitig die Rechnung begleiche, auf Mails keine Antwort bekomme, mich darum eine Viertel Stunde in eine Hotline hänge – und zur Antwort bekomme, ich solle am nächsten Arbeitstag nochmals anrufen. Eigentlich müsste die Antwort sein: „Wir kümmern uns und rufen Sie spätestens am Montag zurück!“. In der Zwischenzeit sind die Unterlagen übrigens da.

Sonntag: Über Kiel nach Lübeck

Ich fahre ja oft und gerne Bahn. Und ich habe absolut Verständnis dafür, dass nicht immer alles glatt läuft. Darum fand ich es zwar doof, aber nicht dramatisch, dass ich auf dem Weg nach Lübeck 30 Minuten Verspätung hatte und darum dort den Anschluss nicht bekommen sollte. Allerdings sah ich dann etwa zehn Minuten vor Hamburg, dass der Stopp in Lübeck wegen einer Weichenreparatur ganz entfallen würde. Also am Hauptbahnhof Hamburg aus dem Zug raus. Mit Koffer, Rucksack und Handtasche. Der nächstmögliche Zug sollte drei Minuten später vier Gleise weiter fahren. Keine Rolltreppe. Ich hätte ihn trotzdem noch bekommen – wenn der Treppenabgang nicht gesperrt gewesen wäre.

Also zum Infoschalter: Da standen locker 20 Menschen an. Ich quer durch den Bahnhof zum nächsten Infoschalter: Ich solle über Kiel fahren. Die Dame druckte mir eine Verbindung aus, mit der ich um 19:36 Uhr mein Ziel erreicht hätte. Statt um 15:36 Uhr. Also habe ich parallel in die App geschaut und eine frühere Verbindung nach Kiel gefunden. Zwischendurch kam ich auf die Idee, in Neumünster umzusteigen, das hätte mir viel Zeit gespart. Leider kam mir kurz vor diesem Halt eine zweite Weichenstörung dazwischen. Also weiter bis Kiel. Zack in den Zug nach Lübeck. Dort kurzer Aufenthalt mit viel Verwirrung: Die App sagte, es gehe auf Gleis 7 weiter. Die Anzeigetafel zeigte Gleis 1 an. Die Dame am Infoschalter wusste es nicht. Das ist genau, was man hören will, wenn man beladen wie ein Ochse mit der Bahn fährt. Aber et hätt noch immer joot jejange.

Und dann noch der menschliche Faktor in der Wirtschaft

Im letzten Zug für diesen Tag sage ich zum Schaffner: „Ich habe ein ganz anderes Super-Sparpreisticket, aber wegen der Weichenstörung konnte ich die ursprüngliche Verbindung nicht nehmen“. Er: „Wollen Sie ein anderes Ticket, wenn Ihnen dieses nicht gefällt?“. Ich: „Ich habe nichts gegen das Ticket, ich wäre aber gerne pünktlich angekommen“. Er: „Je nu, daran können wir jetzt nichts ändern“. Geht’s eigentlich noch? Kann man da nicht sagen: „Oh, das tut mir leid für Sie. Sie wissen, wo Sie wenigstens eine Entschädigung für die Verspätung beantragen können?“

Um das Ganze auf die Spitze zu treiben: Als ich versuche, meine Entschädigung für die Zugfahrt zu beantragen, kann ich meine Taxiquittung nicht über das System hochladen. In keinem Browser, in keinem Format. Schließlich habe ich sie per Post geschickt. Und bisher keine Erstattung erhalten.

200 Euro zuviel gezahlt in New York

Wer jetzt denkt, dass einem solche Dinge nur in Deutschland passieren können, irrt sich. Wir waren im Februar in New York. Ich habe versucht, an der Kasse einer wichtigen Sehenswürdigkeit mit meiner Kreditkarte zu bezahlen. Das habe nicht geklappt, sagte die Dame am Schalter. Also haben wir die Karte meines Mannes benutzt. Doch als wir durch den Security-Check gingen, bekam ich die Info auf die Uhr, dass auch meine Kreditkarte mit 200 Euro belastet worden sei. Obwohl wir das sofort reklamiert haben, wurde das Geld abgebucht. Es hat mich zwei Wochen, fünf Mails, je einen Twitter-Post und eine Direct Message sowie etwa 15 Facebook Direct Messages gekostet, das Geld zurückzubekommen. Das war echt unfassbar!

So, jetzt seid Ihr dran. Was ist Euch zuletzt echt Nerviges passiert?

Was in der (digitalen) Wirtschaft alles nicht funktioniert
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