Was mich an der Republica in Berlin jedes Jahr am meisten fasziniert, ist, dass man unter 8000 Menschen über so viele stolpert, die man kennt. Manche sieht man nur aus der Ferne, andere trifft man ständig. Bei Dritten weiß man über Twitter, dass sie da sind – um sie persönlich zu treffen, muss man aber doch einige Anstrengungen unternehmen. Und schließlich gibt es die, die man genau einmal sieht, und dann nicht mehr. Die Menschen und die Begegnungen machen für mich einen ganz wichtigen Teil der Republica aus. Hier gibt es Kolleg*innen, die ich nur auf dieser Veranstaltung sehe, quasi einmal im Jahr. Andere habe ich seit Jahren nicht gesehen, aber bei der Republica tauschen wir uns aus: über das Leben, über Apps, über die Kommunikationsbranche. Mein Rückblick auf die #rp19.
Und was hörst du dir auf der #rp19 an?
Und dann gibt es natürlich noch die Veranstaltungen. Die kann ich einteilen in „Wow, ich habe ganz viel Neues erfahren“ und in „Naja, war ganz interessant, aber hätte ich mir auch sparen können“.
Veranstaltungen auf der #rp19, die mich weiter gebracht haben
Beyond Platforms: ein Neuanfang jenseits von YouTube, Facebook & Co
Natürlich weiß man, dass Algorithmen die sozialen Netzwerke bestimmen. Das aber einmal derart runtergebrochen zu hören, war eine ernüchternde Sache. Beispiel: Weil Verschwörungstheorien auf YouTube gut laufen, werden sie vom Algorithmus befördert. Und weil der Algorithmus sie fördert, machen mehr Idioten Verschwörungstheorien. Menschen, die mit der Angst anderer auf Kosten der Gesellschaft schnelles Werbegeld machen wollen. Kann man machen, ist aber leider scheiße. Ich wünschte mir, dass diese Menschen aufwachen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Und ich wünschte mir auch, dass die Plattformen für solche Fälle endlich Lösungen finden.
Citizen Scoring in the EU – it happens at home, not only in China
Für mich eine der stärksten Veranstaltungen der #rp19. Beispiele aus Dänemark, Spanien und den Niederlanden, um beispielsweise herauszufinden, ob Kinder missbraucht werden. In Polen und Österreich gibt es algorithmusgetrieben Systeme, um zu ermitteln, welche Arbeitssuchenden man fördern soll, und welche nicht. Dabei sollen in Österreich Frauen Minuspunkte bekommen, wenn sie im gebärfähigen Alter sind, Kinder haben, und für diese keine Betreuung nachweisen können. Das ist bitter. Im Endeffekt werden die gefördert, für die es eh einfach sein dürfte, wieder einen Job zu finden, die anderen werden langsam aber sicher aus dem System entfernt. An dieser Stelle rate ich gerne nochmals dazu, QualityLand (Werbelink zu Amazon) zu lesen. Mit diesem Wissen bekommt das Buch nochmals eine ganz andere Bedeutung.
Hauptsache hochkant? Journalismus und Storytelling auf Snapchat & Co
Angela von Spiegel Online erzählte, warum die Redaktion bei Snapchat ist, und was sie dort macht. Sehr überzeugende Argumentation. Nicht jeder muss alles machen. Vielmehr sollte sich jede Redaktion überlegen, welche Zielgruppe sie erreichen möchte, um dann die entsprechenden Kanäle zu bespielen. Darum macht Spiegel Online seit April 2017 täglich Journalismus auf Snapchat. Auf 7 Vollzeitstellen arbeiten Texter, Videoredakteure, Motion Designer. Sie erreichen damit ein überwiegend weibliches Publikum, von dem viele zwischen 13 und 17 sind. Die Redaktion macht 6 Nachrichteneditionen mit 10 bis 15 Snaps + 1 Longread am Wochenende
Manifest für einen Journalismus der Dinge #JoT
Fand ich alleine darum gut, weil ich davon noch nie gehört habe. Besonders toll ist natürlich das Special des Tagesspiegel zum Abstand zwischen Autofahrer und Fahrradfahrer. Kein Wunder, dass es mit einem Reporterpreis geehrt wurde. Trotzdem werde ich, seit ich davon Kollegin*nnen erzähle, immer wieder gefragt, was das denn mit Journalismus zu tun habe. Ich finde, eine ganze Menge. Wenn man mittels Sensoren und der Digitalisierung nämlich überprüfen kann, welche Studien und Statistiken wirklich wahr sind, ist der Journalismus ein großes Stück weiter. Schließlich kennen alle den schönen Satz: „Traue nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast“.
Weitere Beispiele für #JoT
Was ich aus anderen Veranstaltungen auf der #rp19 mitgenommen habe
Warum wir Radio machen. Warum wir kein Radio sind
Die Idee, Personen hinter den Autorenzeilen hörbar zu machen finde ich gut. Darum plädiere ich auch immer dazu, bei einem Textinterview im Netz die Kernaussage als Audio einzubinden. Über die Stimme wird eine zusätzliche Informationsebene transportiert. Das lässt sich natürlich auch auf die Journalisten übertragen, die einen Text schreiben: Kann der Rezipient den Journalisten hören, entsteht eine persönlichere Bindung.
Ich habe mich regelrecht darüber gefreut zu hören, dass auch die Großen in der Branche Probleme mit den Statistiken bei Podcasts haben. Es gibt keinen Standard, man weiß ich der Regel nicht, wann Hörer aussteigen oder ob sie einen abonnierten Podcast überhaupt hören. Mich treibt das auch um – vorallem, wenn mich andere fragen: Wie läuft’s denn? Und ich anfange rumzueiern.
Interessante Aussage der SZ: „O-Töne bringen den Podcast nicht weiter“. Egal, ob die Redaktion O-Töne einschneidet oder nicht: Es ändert sich nichts an den Nutzerzahlen. Allerdings hat die Redaktion mit O-Tönen viel mehr Arbeit. Tja – soll man es darum lassen? Ich persönlich glaube das nicht. Ich finde, eine Audioreihe lebt auch davon, dass ab und zu andere Menschen zu hören sind.
Sprachassistenten und Podcastboom: Audio-Vielfalt oder „Winner Takes it all“?
Gute Veranstaltung. Habe ich auf einer anderen Seite zusammengefasst.
Public Value: jeder behauptet, ihn zu liefern, doch wer finanziert ihn und entscheidet darüber?
Bei dieser Veranstaltung hätte ich gerne gehört, wie man Public Value eigentlich definiert, wie Public Value heute und vor allem morgen aussehen kann. Stattdessen ist die Diskussion abgerutscht in ein Streitgespräch darüber, ob es richtig ist, dass der private Rundfunk von den Gebühren der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nichts abbekommt. Das ist eine Diskussion, die so alt wie das duale System ist. Hier hätte ich mir eine Moderatorin gewünscht, die das Thema der Veranstaltung umsetzt, und sich nicht von den Diskussionsteilnehmer*innen treiben lässt.
Social Bots, Trolle und die Meinungsfreiheit auf der #rp19
Es gibt ein Botometer Tool, das dabei hilft, einzuschätzen, ob man mit einem Menschen oder einem Bot kommuniziert.
The new abnormal: Hate, Fakes, Mobbing. Wie machen wir das Netz zu einem besseren Ort?
Gute Einblicke von Alexandra Borchardt, die ich vor einiger Zeit interviewt habe. Noch besser der Ansatz von Teresa Bücker, selbst weniger Mist zu teilen, sondern die Dinge, die einem wichtig sind. Und Haltung zeigen. Ich habe das auf einer Bloggerreise vor der Europawahl mit einem Text, Tweets und Instastorys gemacht – und beides kam gut an.
Klein gedruckt und grob gehackt: Worüber sich Verbraucher*innen in der digitalen Welt ärgern
Das war mir zwar nicht unbekannt, schließlich bekomme ich regelmäßig die Pressemitteilungen der Marktwächter. Mich hat aber sehr amüsiert, dass es Leute gibt, die regelmäßig die Zahl der Blätter auf Klopapierrollen zählen.
Was ich sonst noch auf der #rp19 besucht habe
- Does Journalism have a Future: Warum sollten Journalisten diese Frage verneinen? Echte Lösungen außer der ewigen Beschwörungsformel: „Journalismus wird es weiterhin geben, weil ohne Journalismus keine Demokratie“ gab es allerdings nicht.
- Digital souverän im Alter: Welche Kompetenzen brauchen wir 2040? Leider hat die Veranstaltung die Frage im Veranstaltungstitel nicht beantwortet. Nachträglich frage ich mich: Wie auch? Die haben ja auch keine Kristallkugel. Trotzdem ist „Lebenslanges Lernen“ ein bisschen mager. Auch wenn die gezeigten Beispiele ganz schön waren.
- Mit 5G wird Milch und Honig fließen
- In der Schlagwortfalle: Digitalisierung, Energiewende, Big Data – und was das mit mir zu tun hat
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